Afrikas Perspektive auf die neue globale Gesundheits- architektur nach USAID

Afrikanische Gesundheitsexpert*innen diskutieren auf der African Health Agenda International Conference (AHAIC), initiiert von Amref, über die Zukunft der globalen Gesundheitsarchitektur nach den USAID-Kürzungen.
Autor: Ralph Achenbach, Geschäftsführer Amref Health Africa Deutschland
Auf dem Bild von links nach rechts: Dr Adelheid Onyango (Director, Universal Health Coverage/Healthier Populations at WHO AFRO); Dr. Chikwe Andreas Ihekweazu - Acting Regional Director at WHO Regional Office for Africa; Dr. Mercy Mwangangi - Senior Health Strengthening Director at Amref Health Africa; Dr. Githinji Gitahi - Group CEO at Amref Health Africa; Charlotte Muheki - Primary Health Care Director at Amref Health Africa; Dr Kalu Akpaka - Team Leader, Strategy, planning and policy for disease control at World Health Organization (WHO)
Die Kürzungen der US-Entwicklungshilfe durch USAID waren ein zentrales Thema auf der Africa Health Agenda International Conference (AHAIC), die im März in Kigali, Ruanda, stattfand. Gastgeber war Afrikas größte Gesundheits-NGO, Amref Health Africa, in Zusammenarbeit mit den Afrika Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention (Africa CDC und dem Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Afrika. Wenig verwunderlich, denn der Rückzug der USA markiert eine Zäsur: In den letzten fünf Jahren floss ein Drittel der US-Entwicklungshilfe nach Afrika. Von den zwanzig größten Empfängerländern von US-Entwicklungsgeldern im Zeitraum 2012 bis 2021 waren mehr als die Hälfte afrikanische Länder. Ein Großteil dieser Mittel ging in den Gesundheitssektor.
Verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit in Afrika
Kurzfristig überwog bei den mehr als 1.500 AHAIC Delegierten die Sorge: Der abrupte Wegfall etablierter Programme – insbesondere in der Prävention von Infektionskrankheiten und der Bekämpfung von Mangelernährung – gefährdet akut Menschenleben. Insbesondere dort, wo die Gesundheitsfinanzierung abhängig war von US-Unterstützung, gibt es bereits jetzt erhebliche negative Auswirkungen für die Bevölkerung. Auch Amref war gezwungen, Projekte zu beenden, wie beispielsweise das Tuberkulose-Screening in Tansania oder in der HIV/AIDS-Prävention in Malawi.
Eine Chance in der Krise: Mehr Selbstverantwortung für eine neue Gesundheitsordnung
Auf lange Sicht machte sich auf der AHAIC jedoch auch Aufbruchstimmung breit. Es herrschte Einigkeit darüber, dass nun eine historische Gelegenheit besteht, die globale Gesundheitsarchitektur neu zu denken – mit einem klaren Ziel: koloniale Kontinuitäten überwinden und mehr Selbstverantwortung für die Stärkung der Gesundheitssysteme auf dem afrikanischen Kontinent übernehmen.
Zwei Kernbotschaften bestimmten die Diskussionen auf den Podien und in den Fluren des AHAIC-Veranstaltungsorts in Kigali:
1. Mehr Geld für Gesundheit: Investitionen afrikanischer Staaten erhöhen
Afrikanische Regierungen müssen ihre Gesundheitsausgaben erhöhen und Gesundheit als Investition statt Kostenfaktor betrachten. Gesundheit ist letztlich eine politische Entscheidung, und afrikanische Regierungen werden entschlossenen politischen Willen zeigen müssen. Dazu gehört auch der Aufbau eigener Infrastrukturen für die Produktion und Verteilung von Medikamenten und Impfstoffen, sowie die Förderung von Forschung und Entwicklung in Afrika. Als besonders relevant in dieser Hinsicht wurden neue Partnerschaften gesehen, vor allem mit der Privatwirtschaft. Amrefs Group CEO Dr. Githinji Gitahi brachte es in Kigali wie folgt auf den Punkt:
„Die herkömmlichen Wege der Gesundheitsfinanzierung […] sind nicht mehr tragfähig. Wir müssen unsere Strategien überdenken, um widerstandsfähige Gesundheitssysteme aufzubauen, die neuen Bedrohungen standhalten können.“ Um Abhängigkeiten der Vergangenheit zu überwinden, wolle man “eigenständig stark sein – lokal und auf dem gesamten Kontinent,” ergänzte Dr. Chikwe Ihekweazu, kommissarischer Regionaldirektor der WHO für Afrika, in einem Kommentar während AHAIC.
2. Mehr Gesundheit fürs Geld: Effizienz steigern
Geld allein reicht nicht. Die Effizienz im Gesundheitswesen muss steigen.
„Afrika muss die Verantwortung für die eigene gesundheitliche Zukunft übernehmen. Weniger Abhängigkeit von externer Hilfe erfordert den Aufbau starker lokaler Gesundheitsstrukturen – es geht nicht nur darum, wie viel Finanzierung wir erhalten, sondern auch darum, wie effizient wir Ressourcen nutzen, um Gesundheitsergebnisse zu verbessern,“ so Dr. Sabin Nsanzimana, Gesundheitsminister von Ruanda, während seiner Anmerkungen bei AHAIC.
Die Delegierten betonten in diesem Zusammenhang verschiedene Faktoren: Zum einen, das Potenzial moderner Technologien wie Telemedizin und Künstlicher Intelligenz. Ebenso wichtig: ein starker Fokus auf Vorbeugung statt ausschließlich auf Behandlung und ein grundlegender Wandel des Gesundheitsystems hin zu stärkerer Basisgesundheitsversorgung, beginnend mit Prävention auf Haushaltsebene. Des Weiteren bedarf es jetzt eines integrierten Ansatzes, der auch nichtübertragbare Krankheiten umfasst, die in Afrika auf dem Vormarsch sind. Auch soziale sowie umweltbezogene Faktoren wie Bildung, Einkommen und der Klimawandel beeinflussen Gesundheit und sind eng damit verknüpft, so sahen es die AHAIC-Delegierten. Und nicht zuletzt erkannten die AHAIC-Delegierten die zentrale Rolle, welche die junge Generation spielt: Mehr als 60 % der afrikanischen Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt – über 400 Millionen Menschen zwischen 15 und 35. Diese Gruppe hat entscheidendes Potenzial für gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Wandel in Afrika, und ihre Perspektiven müssen in die Neugestaltung der Gesundheitsarchitektur einfließen – auch nach der Konferenz, die einen eigenen „Youth Summit“ hatte.
„Junge Menschen sind die treibende Kraft des Wandels und sollten die Möglichkeit bekommen, Politik und Entscheidungsprozesse mitzugestalten“, so Dr. Matshidiso Moeti, ehemalige WHO-Regionaldirektorin für Afrika in einem Beitrag während AHAIC.
Internationale Solidarität bleibt essenziell
Doch eines wurde ebenfalls deutlich: Ohne internationale Solidarität geht es nicht. Der fiskalische Spielraum vieler afrikanischer Regierungen ist begrenzt. Zu hoch ist die Schuldenlast in Afrika. Laut des Atlas für Gesundheitsausgaben der WHO hat nur Südafrika 15 % seiner Staatsausgaben für Gesundheit bereitgestellt und auch tatsächlich ausgegeben, so wie es die Abuja-Erklärung eigentlich vorsieht. In der Region insgesamt lag der Anteil der Gesundheitsausgaben zwischen 2,1 % und 12 %. In 24 Ländern übersteigen die Ausgaben für Schuldentilgung die Ausgaben für Gesundheit und Bildung zusammen. Eine Umstrukturierung der Schulden bis hin zu Schuldenerlass ist unerlässlich. Auch die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit wird, zumindest in der Übergangszeit, wichtig bleiben – vorausgesetzt, sie orientiert sich an lokalen Prioritäten. Vor allem klassische Fördermechanismen aus dem Globalen Norden sollten Lokalisierung endlich ernst nehmen und afrikanische NGOs direkt unterstützen, statt Projektmittel über kostenintensive Strukturen in den Geberländern abzuwickeln.
Deutschlands Führungsrolle: Schlüssel für globale Gesundheitssicherheit
Deutschland spielt dabei eine entscheidende Rolle als traditionell zweitwichtigste Gebernation und Voreiter internationaler Unterstützung für Globale Gesundheit. Ein Rückzug aus der Entwicklungszusammenarbeit würde nicht nur die skizzierten Reformprozesse gefährden, sondern auch die globale Gesundheitssicherheit. Denn Krankheitserreger kennen keine Grenzen, und Gesundheitssicherheit auf globaler Ebene kann nur so stark sein wie das schwächste lokale Gesundheitssystem. Die Stärkung aller afrikanischen Gesundheitssysteme ist deshalb auch im Interesse aller.
„Würde die zukünftige Bundesregierung den Beitrag Deutschlands zur internationalen Entwicklungszusammenarbeit verringern“, warnte Dr. Gitahi, „so wäre dies ein Eigentor, das Deutschland sich selbst schießt.“
AHAIC kann also auch als Appell an die kommende Koalitionsregierung verstanden werden, sich zu Deutschlands Führungsrolle in der Entwicklungszusammenarbeit und im Bereich Globale Gesundheit zu bekennen. Entsprechende Mittel müssen verstetigt und auszuweitet werden, anstatt sie zu kürzen.
AHAIC – Zehn Jahre afrikanisches „Thought Leadership“ in der globalen Gesundheit
Die Africa Health Agenda International Conference (AHAIC) wurde 2014 von Amref Health Africa ins Leben gerufen, um einen panafrikanischen Raum für Wissensaustausch, Innovation und gemeinsame Lösungsansätze im Gesundheitswesen zu schaffen. Sie bringt alle zwei Jahre Akteure aus Regierungen, NGOs, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Akteure zusammen. Ziel ist es, afrikanische Gesundheitsprobleme mit afrikanischen Lösungen anzugehen – basierend auf lokaler Expertise. Das diesjährige Motto lautete „Connected for Change“ – „Verbunden für Veränderung“ und rückte auch die sozio-ökologischen Zusammenhänge von Public Health in den Vordergrund.
Über Amref Health Africa
Amref ist die größte Gesundheitsorganisation Afrikas. Gegründet im Jahr 1957 mit Hauptsitz in Nairobi, Kenia, erreicht Amref heute jährlich fast 20 Millionen Menschen in Subsahara-Afrika – durch Basisgesundheitsversorgung und Ausbildungsprogramme für medizinisches Fachpersonal. In Deutschland wird Amref durch Amref Health Africa Deutschland mit Sitz in Bonn vertreten.
Mehr über die Arbeit von Amref und dazu, wie globale Zusammenarbeit und lokale Lösungen die Gesundheitssysteme in Afrika transformieren können, erfahren Sie auf der Website von Amref Health Africa Deutschland.
Bild: Amref Health Africa.