Halbzeitüberprüfung der deutschen Strategie zur globalen Gesundheit – Was sagen die Mitglieder?

25. Juni 2024 I  Neues aus dem Hub

Der Global Health Hub Germany hatte seine Mitglieder eingeladen, sich im Rahmen einer Umfrage in den Review-Prozess zur Strategie der Bundesregierung zur globalen Gesundheit einzubringen. Hier fassen wir für Sie die Ergebnisse zusammen. 

Warum eine Abfrage?

Im Jahr 2020 veröffentlichte die Bundesregierung unter der Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit ihre Strategie zur globalen Gesundheit. Das Ziel: Deutschlands Engagement im Bereich der globalen Gesundheit nachhaltig und wirksam zu gestalten. Doch die globale Gesundheitslandschaft hat sich seither drastisch verändert. Die COVID-19-Pandemie, internationale Konflikte und die sich verschärfende Klimakrise haben neue Herausforderungen mit sich gebracht. Um die bis 2030 gesetzten Ziele dennoch zu erreichen, ist eine Anpassung der Strategie notwendig. Daher wurde zur Halbzeit der Umsetzung eine Überprüfung angesetzt, die auch das Wissen und die Expertise nichtstaatlicher Akteure einbezieht. In diesem Kontext hat der Global Health Hub Germany (GHHG) die Stimmen dieser Akteure gebündelt und an die Bundesregierung übermittelt. 

Drei Kernfragen

Die Mitglieder des Global Health Hub Germany wurden gebeten, ihre Perspektiven zu folgenden Kernfragen zu teilen: 

  1. Welche zentralen Herausforderungen in den thematischen Prioritäten der Strategie müssen dringend von der Bundesregierung angegangen werden? 

  2. Welche Schlüsselbereiche sehen Sie, in denen Deutschland aufgrund seiner besonderen Expertise, Fähigkeiten und Kapazitäten als starker Partner komparative Vorteile hat? 

  3. Welche Chancen für neue Ansätze und Partnerschaften sehen Sie, um kreative Lösungen für globale Herausforderungen zu finden? 

Ergebnisse der Abfrage

1. Herausforderungen in den strategischen Prioritäten

Priorität 1: Gesundheit fördern, Krankheiten verhindern und adäquat begegnen 

Um das SDG3-Ziel zu erreichen, sind umfassende politische und finanzielle Maßnahmen erforderlich. Der Klimawandel, neue und vernachlässigte Pandemien sowie Antibiotikaresistenzen und die hohe Krankheitslast durch nichtübertragbare Krankheiten (NCDs) stellen große Herausforderungen dar. Deutschland sollte daher innovative Anreize für die Forschung und Entwicklung neuer antimikrobieller Mittel schaffen und die internationale Zusammenarbeit zur Pandemieverhinderung fördern. Darüber hinaus sollte die Strategie einen stärkeren Fokus auf NCDs, einschließlich der mentalen Gesundheit, sowie auf die sozialen und ökonomischen Determinanten von Krankheiten legen. Gleichzeitig muss Deutschlands führende Rolle in der Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten beibehalten werden. Insgesamt gilt es, präventive Maßnahmen frühzeitig und verstärkt zu ergreifen. 

Priorität 2: Umwelt, Klimawandel und Gesundheit ganzheitlich angehen 

Der "Health-in-all-Policies"-Ansatz sollte mit klar definierten Zielen und Verantwortlichkeiten umgesetzt werden, um die Verknüpfung von Gesundheit, Umwelt und Klimapolitik sowohl national als auch international zu stärken. Deutschland muss die Resilienz der Gesundheitssysteme gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels fördern und dabei einen inklusiven Ansatz verfolgen, der besonders betroffene Bevölkerungsgruppen einbezieht. Zudem müssen die Auswirkungen des Klimawandels auf die psychische Gesundheit stärker berücksichtigt werden. Insbesondere die Bedeutung des One-Health-Ansatzes für die ganzheitliche Bewältigung von Gesundheits- und Umweltproblemen wurde von den nichtstaatlichen Akteuren hervorgehoben. Sie betonten auch die Notwendigkeit des Schutzes der Biodiversität sowie der Stärkung der Tiergesundheit. 

Priorität 3: Gesundheitssysteme stärken 

Der diskriminierungsfreie Zugang zu allgemeiner Gesundheitsversorgung, einschließlich Impfstoffen und Medikamenten, muss gefördert werden. Deutschland sollte sich dabei besonders für die sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte einsetzen. Investitionen in Gesundheitspersonal und Maßnahmen gegen den globalen Gesundheits- und Pflegepersonalnotstand sind unerlässlich. Ebenso wichtig ist eine verstärkte finanzielle Unterstützung der Gesundheitssysteme in einkommensschwachen Ländern durch nachhaltige Maßnahmen. Dazu gehört auch die Harmonisierung von Zulassungsverfahren und die Förderung der lokalen Produktion von Medikamenten. 

Priorität 4: Gesundheit schützen – grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren begegnen 

Zur Prävention und Bewältigung grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren bedarf es der Stärkung von Pandemievorsorge und des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Die Bundesregierung sollte dabei auch den One-Health-Ansatz ausbauen und vertiefen. Ebenso sollte Deutschland die WHO und den Pandemic Fund weiterhin finanziell unterstützen und die Verhandlungen zu einem internationalen Pandemieabkommen vorantreiben. Allgemein müssen geopolitische Aspekte stärker berücksichtigt werden.  

Priorität 5: Forschung und Innovation für globale Gesundheit vorantreiben 

Forschung und Innovation sind essenziell für die globale Gesundheit. Daher sollte Deutschland weiter in Forschung und Entwicklung investieren, insbesondere in den Bereichen Pandemieprävention, Antibiotika und Tropenkrankheiten, sowie den globalen Zugang zu medizinischen Innovationen fördern. Gleichzeitig muss der globale Zugang zu medizinischen Innovationen gefördert werden. Forschungseinrichtungen und interdisziplinäre Global-Health-Forschung sollten durch langfristige Finanzierungsstrukturen und gleichberechtigte Partnerschaften gestärkt werden. Zudem sollte die handlungsleitende Nutzung vorhandener Evidenz verstärkt in den Fokus rücken, um die Gesundheitsversorgung weltweit zu verbessern. 

2. Deutschlands Schlüsselbereiche in der globalen Gesundheit

Die nichtstaatlichen Akteure betonten mehrere Stärken der Strategie sowie Deutschlands Rolle in der globalen Gesundheit. Dazu zählen die klar definierten Schwerpunkte der Strategie, das Bekenntnis zu zentralen Prinzipien und Werten sowie die Bereitschaft, globale Verantwortung zu übernehmen. Ebenso wird das erfolgreiche Engagement für die WHO, die Verbesserung multilateraler Strukturen und die kooperative Herangehensweise positiv bewertet. Deutschlands Erfahrung und Expertise sowie sein Ruf als Forschungs- und Innovationsstandort werden als wesentliche Stärken im Bereich der globalen Gesundheit angesehen. Besonders hervorgehoben wurde die ganzheitliche Perspektive der Strategie, die Klima- und Gesundheitsaspekte sowie den One-Health-Ansatz integriert. 

Die Offenheit des Diskurses und die Einbindung der Zivilgesellschaft wurden ebenfalls begrüßt. Nichtstaatliche Akteure finden Gehör, werden aktiv beteiligt und ihre Initiativen unterstützt. Dies geschieht durch Austauschformate des Global Health Hubs Germany, „Runde Tische“, Jours fixes sowie durch die aktive Beteiligung der Bundesregierung in Unterausschusssitzungen des Bundestages sowie ihr Engagement in multilateralen Gremien und Organisationen. Diese Maßnahmen fördern die Partizipation der Zivilgesellschaft und menschenrechtliche Prinzipien. 

3. Verbesserungspotenzial

Dennoch gibt es auch Anregungen zur Verbesserung. Kritisiert wurde das Fehlen von Indikatoren, weshalb empfohlen wird, die Strategie mit klaren, messbaren und zeitgebundenen Zielen zu versehen. Zudem sollten ausreichende Finanzmittel bereitgestellt werden. 

Deutschland sollte seine Rolle als wirtschaftsstarke Nation und zentraler Akteur der globalen Gesundheit im internationalen System politisch und finanziell noch aktiver ausgestalten, um den globalen Herausforderungen besser begegnen zu können. Die Bundesregierung sollte zudem ihren Einfluss nutzen, um eine menschenrechtsbasierte Gesundheitspolitik zu fördern und eine gerechte globale Gesundheitspolitik weiterhin auf der globalen Agenda zu halten. Es wird auch angeregt, die Expertise Deutschlands als Forschungs- und Innovationsstandort stärker einzubringen und sich international für Themen wie die Verbesserung der mentalen Gesundheit oder die Aufnahme vernachlässigter Tropenkrankheiten in das Portfolio des Globalen Fonds einzusetzen. 

Darüber hinaus sollte Deutschland sich stärker gegen die Beschneidung zivilgesellschaftlicher Räume im In- und Ausland einsetzen und die Zivilgesellschaft noch intensiver in internationale Prozesse einbeziehen. Es wurde bemängelt, dass der parlamentarische Raum während der Ausarbeitung der Strategie nicht ausreichend involviert war. Die Umsetzung der Strategie sollte vermehrt in die Öffentlichkeit getragen werden, beispielsweise durch Parlamentsdebatten und Anhörungen, um die globale Gesundheit wieder stärker in den Fokus zu rücken. Insgesamt wäre es wünschenswert, den Prozess der Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure formalisiert, systematisch und nachvollziehbar zu gestalten, mit einheitlichen Strukturen und Transparenz darüber, welche Anmerkungen aufgenommen werden. 

Ausblick

Die Bundesregierung plant, bis zum Sommer 2025 einen Fortschrittsbericht zu erstellen, der die Schwerpunkte des deutschen Engagements für globale Gesundheit vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen neu justiert. Die Ergebnisse der Abfrage sollen in die Erstellung dieses Berichts einfließen.  

 

Lesen Sie jetzt die Strategie der Bundesregierung zur globalen Gesundheit 

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