Forschungserfolge in die Praxis bringen: Impfungen weltweit stärken

Jährlich könnten ca. 1,5 Mio. Menschenleben durch bessere Impfraten gerettet werden. Gefragt sind dafür politischer Wille, gezielte Finanzierung und Umsetzung, die wirkt.
Anlässlich des World Vaccine Congress in Washington (21.-24. April 2025), auf dem führende Expert*innen aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen rund um Impfstoffforschung, -produktion und -verteilung diskutieren, blicken wir auf enorme Fortschritte in der Impfstoff entwicklung. Die beispiellose Geschwindigkeit, mit der wirksame Impfstoff e gegen COVID-19 entwickelt und bereitgestellt wurden, ist ein eindrucksvolles Zeugnis für die Leistungsfähigkeit der Forschung. Gleichzeitig offenbart sich jedoch eine dramatische Diskrepanz: Laut Schätzungen der WHO könnten 1,5 Millionen Menschenleben gerettet werden, wenn die weltweite Impfrate verbessert werden würde. Dies zeigt deutlich: Forschungserfolge allein reichen nicht aus, um Leben zu retten. Was also sind die Schlüsselfaktoren für erfolgreiche Impfprogramme in der globalen Gesundheit?
Wirksamkeitsdiskrepanzen in der Praxis: Das Beispiel Malaria
Laborwirksamkeit und Umsetzung in der Praxis können stark voneinander abweichen. Das Beispiel Malaria-Impfstoffe verdeutlicht dies: Der neuere R21-Impfstoff ist deutlich kostengünstiger als der herkömmliche Impfstoff (ca. 3 € vs. ca. 9 € pro Dosis). Dennoch verzögert sich der Umstieg aufgrund institutioneller Hürden. Der breitere Einsatz des R21-Impfstoffs wird insbesondere durch langwierige internationale Finanzierungs-, Beschaffungs- und teilweise noch ausstehende länderspezifische Zulassungsprozesse gebremst, die nicht mit der Geschwindigkeit der wissenschaftlichen Innovation Schritt halten. Generell stellen begrenzte Produktionskapazitäten, die Aufrechterhaltung von Kühlketten bis zur 'letzten Meile', logistische Hürden in schwer erreichbaren Gebieten sowie die Verfügbarkeit von geschultem Gesundheitspersonal zentrale Herausforderungen bei der erfolgreichen Verabreichung von Impfstoffen dar.
Durch die höhere Kosteneffektivität des neueren R21-Impfstoffes, könnten bis zu 800.000* Kinder zusätzlich überleben, wenn der effektivere Impfstoff tatsächlich eingesetzt würde. Das heißt: Auch wenn wir zwar nach aktuellem wissenschaftlichen Stand neue Erkenntnisse und Fortschritte über die beste Wirksamkeit von bestimmten Impfstoffen haben, verzögert sich die tatsächliche Implementierung dieses Wissens in der Praxis oftmals erheblich.
*Diese Schätzung ist vermutlich nicht in den zuvor genannten 1,5 Millionen potenziell rettbaren Leben enthalten, da die WHO-Schätzung von 2019 ist, als noch keine weit verbreiteten Malaria-Impfstoffe verfügbar waren.
Politische Weichenstellung und soziale Akzeptanz: Schlüssel zum Impferfolg
Wie können wir in Anbetracht dieser Problemstellung Fortschritte machen? Ein Schlüssel liegt in den politischen Weichenstellungen. Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt: Nicht allein die Wissenschaft, sondern politische Entscheidungen und soziale Akzeptanz bestimmen oftmals den Erfolg von Gesundheitsprogrammen. Erfolgreiche Programme nutzen daher inklusive Entscheidungsstrukturen. Der Globale Fonds dient hier als Vorbild: Betroffene Länder haben gleichberechtigtes Mitspracherecht in der Entscheidungsfindung. Wenn lokale Akteure mitbestimmen, steigt die Akzeptanz vor Ort – und damit die Erfolgschancen des Projekts allgemein – deutlich.
Ebenso entscheidend ist es, soziale Hürden ernst zu nehmen und den Zugang zu Impfungen ganzheitlich zu betrachten. Transportkosten können etwa für Familien oft ein größeres Hindernis darstellen als der eigentliche Impfstoff. Wirksame Programme investieren deshalb in gemeindenahe Aufklärung und beseitigen praktische Hindernisse – etwa durch mobile Teams oder Anreize wie kostenlose Gesundheitschecks oder Cash-Transfers als Anreize in Kontexten mit extrem niedrigen Impfraten, wie etwa in Nigeria.
Nachhaltige Finanzierung: Das Fundament für Impferfolge
Entscheidend für den Erfolg von Impfprogrammen ist außerdem eine solide und nachhaltige Finanzierung. Wichtige globale Initiativen wie Gavi und der Globale Fonds kämpfen mit erheblichen Finanzierungslücken, die Fortschritte gefährden. Hier muss auch Deutschland seiner globalen Verantwortung nachkommen und zur Schließung dieser Lücken beitragen, bestenfalls mit höheren Investitionen in diese hochwirksamen Organisationen. Gerade in Zeiten in denen bei vielen globalen Entwicklungsprogrammen gekürzt wird, sollte Deutschland hier v.a. hochwirksame Organisationen priorisieren.
Neben klassischen Beiträgen können innovative Finanzierungsmechanismen helfen:
- Advanced Market Commitments (AMCs) schaffen durch verbindliche Abnahmezusagen von Gebern zu garantierten Konditionen starke Anreize für die Impfstoffentwicklung. Dies reduziert das Investitionsrisiko für Hersteller erheblich
- Results-Based Financing (RBF) belohnt das Erreichen von Impfzielen direkt. Zahlungen erfolgen erst nach Erfolg, was Anreize für Effektivität schaff t und die Nachfrage stabilisiert.
- Mit dem Debt2Health Mechanismus wandelt Deutschland Schulden erlassener Länder in Gesundheitsinvestitionen über den Globalen Fonds um.
Eine Kombination aus starken Kernbeiträgen und dem gezielten Einsatz solcher innovativen Instrumente ist essenziell, um die finanzielle Basis für globale Impfgerechtigkeit zu schaffen.
Von der Forschung zur Umsetzung: Globale Impferfolge sichern
Wissenschaftliche Durchbrüche sind unerlässlich, doch allein sie bewirken noch keine Rettung von Menschenleben. Um das lebensrettende Potenzial von Impfstoff en voll auszuschöpfen, bedarf es entschlossener politischer Entscheidungen, inklusiver Strukturen vor Ort und einer nachhaltigen Finanzierung. Gerade jetzt muss Deutschland gezielt in hochwirksame Ansätze und Organisationen wie Gavi und das WHO Immunisierungsprogramm investieren – nicht nur aus moralischer Verpflichtung, sondern auch als strategische Priorisierung im Interesse der globalen Gesundheitssicherheit.