Gesundheit interdisziplinär gedacht – politisch erlebt: Ein Bericht von der WHA aus Genf

Als Jugenddelegierter bei der World Health Assembly (WHA) - junge Stimmen werden wichtiger, doch werden diese gehört? Eindrücke, Erlebnisse und das Fazit des Jugenddelegierten Ahmet Bekisoglu.
Zugegeben, es war doch schon ein zeitlicher Balance-Akt: Drei Stunden nach meinem letzten Staatsexamen in Humanmedizin war ich bereits im Flugzeug von Köln Richtung Genf – Ziel: Die 78. WHA in den Örtlichkeiten der Vereinten Nationen. Aber was habe ich dort gemacht, was waren meine Aufgaben – und viel wichtiger: Wie kam ich überhaupt dahin?
Ende 2024 wurde ich als Jugenddelegierter im gleichnamigen Programm für die 78. WHA vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ausgewählt – ein seit mehreren Jahren laufendes Programm, das jungen Stimmen im internationalen gesundheitspolitischen Raum mehr Gehör verschaffen will. Das Jugenddelegiertenprogramm ist hierbei offen aufgebaut, damit der oder die Jugenddelegierte auch eigene Akzente setzen kann.
Angekommen in Genf ging es für mich direkt mit der deutschen Delegation in die Programmpunkte – Besprechungen der WHO-EURO-Gruppe, große Sitzungen in den Komitees A und B und auch Side-Events. Hier war vor allem aktives Zuhören angesagt, denn es ging häufig direkt in das Politische und Detaillierte hinein. Spannend empfand ich, wie sich bspw. Auswärtiges Amt und das BMG abgestimmt haben und das „Raushören“ von Akzentuierungen in Reden. In so gut wie allen Ländern wird jede Rede abgestimmt und erst nach längeren Autorisierungsprozessen gehalten, so dass jedes Wort eine Bedeutung als „soft power“ hat. Welches Land und welche gesundheitspolitischen Punkte wurden in den Statements erwähnt, welche Forderungen gestellt? Trotz Briefing durch Teile der deutschen Delegation war es manchmal relativ schwer, dem Gesprächsverlauf komplett zu folgen, insbesondere weil die Agenda verschiedene Schwerpunkte oft zügig behandelte.
Als Jugenddelegierter wird man auch Teil einer größeren WHO-Gemeinschaft aus jungen Leuten, u.a. den Youth Delegates anderer Staaten und Organisationen. Bei einem Mittagessen haben wir uns kennengelernt und direkt vernetzt. Diese Begegnungen sind diejenigen, die dann für weitere Projekte nach der WHA auch wichtig sein können und für pan-europäische und globale Ideen genutzt werden.
Schwerpunkt, Highlight und auch Grund, warum ich in Genf dabei sein durfte, war mein Statement als Jugenddelegierter. Nach einigen Verschiebungen in den Programmpunkten konnte ich am Freitag ein einminütiges Statement zum Thema „Mental Health and Social Connection“ halten. Den Inhalt habe ich speziell durch die Gespräche im Vorfeld der WHA erörtern können, konnte aber natürlich auch eigene Punkte einbringen. Eine Minute ist sehr kurz, und so war es auch eine inhaltliche Herausforderung die richtigen Worte zu wählen. Folglich konnte ich auf einige Punkte, die in den Gesprächen bspw. mit Berufsverbänden aufkamen, nicht eingehen. Entstanden ist ein Statement, bei dem ich zu den multiplen Krisen unserer Zeit (Kriege, Klimawandel, Unsicherheit) Stellung bezogen habe und deren Bedeutung auf die mentale und physische Gesundheit aufgezeigt habe. Genauere Ergebnisse meiner Arbeit werden in einem Policy Brief in naher Zukunft publiziert. Meine Rede ist auf dem Instagram-Account des Jugenddelegiertenprogramms (@whayouthdelegate_germany) oder auf der Seite der WHO verfügbar (Committee A, 23.05.2025, 14.35 – 18.30, Time-Stamp: 2:08:26).
Blieb bei den straffen Programmpunkten, die in der Regel gegen acht Uhr beginnen und frühstens um 17.30 endeten, noch Zeit für Genf selbst? Nicht viel – aber für einen kurzen Trip in die Altstadt mit Spaziergang am Genfer See und zwei kurzen Café-Besuchen hat es dann doch gereicht.
Rückblickend bin ich sehr dankbar, dass ich Teil dieser besonderen Woche in Genf sein durfte. Die drei Tage vergingen wie im Flug – was bleibt, sind die persönlichen Gespräche mit Jugenddelegierten aus anderen Ländern und die Eindrücke, hautnah dabei gewesen zu sein. Die WHA hat mir einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, dass junge Menschen sich in gesundheitspolitische Prozesse einbringen – als echte Partner:innen auf Augenhöhe. Denn globale Gesundheit braucht neue Perspektiven, Mut zum Wandel – und Menschen, die Brücken bauen zwischen Praxis, Politik und Gesellschaft.
Ahmet Bekisoglu
Aktuell läuft die Ausschreibung für das Jugenddelegiertenprogramm zur 79. WHA im Mai 2026. Bewerbungen sind noch bis zum 15. Juni 2025 möglich. Nähere Informationen zur Bewerbung gibt es hier.