Globale Gesundheit auf dem Prüfstand – Die Positionen der Parteien zur Bundestagswahl 2025
Anlässlich der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar 2025 hat der Global Health Hub Germany die Wahlprogramme der relevanten Parteien mit Fokus auf ihre Konzepte zur globalen Gesundheitspolitik auf den Prüfstein gelegt. Die Analyse macht deutlich, wie die Parteien sich zur globalen Gesundheit positionieren.
Wie positionieren sich die deutschen Parteien in ihren Wahlprogrammen für die vorgezogene Bundestagswahl 2025 zu globaler Gesundheitspolitik?
Anlässlich der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar 2025 hat der Global Health Hub Germany die Wahlprogramme der Parteien SPD, CDU/CSU, Bündnis90/DIE GRÜNEN, FDP, AfD, die LINKE und BSW auf ihre Vorstellungen zur zukünftigen Ausgestaltung globaler Gesundheitspolitik analysiert. Die Analyse schließt Wahlprogramme von Parteien ein, die laut aktuellen Prognosen (Stand 29.01.2025) die realistische Möglichkeit haben, die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen und in den Bundestag einzuziehen. Dies beinhaltet trotz ihrer demokratie- und verfassungsfeindlichen Grundhaltung auch das Wahlprogramm der AfD.
Im Fokus der Analyse steht, inwiefern die Wahlprogramme globale Gesundheit berücksichtigen. Da „globale Gesundheit“ nicht in allen Wahlprogrammen explizit genannt wird, haben wir zudem überprüft, wie die Programme multilaterale Zusammenarbeit und/oder die Finanzierung von Programmen im Bereich Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe bewerten. Hieraus lassen sich Rückschlüsse ziehen, wie die Parteien zu einem Engagement Deutschlands auch in der globalen Gesundheit stehen. Schließlich wollten wir wissen, inwieweit die Parteien gesundheitsrelevante Querschnittsthemen wie Klimawandel und sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte (SRGR) in den Blick nehmen. Dies ist wichtig, da sich die Vorstellungen der Parteien in diesen Bereichen auf die Positionierung Deutschlands im Bereich der globalen Gesundheit auswirken könnten.
Besonders prominent ist globale Gesundheit in den Wahlprogrammen von SPD und Grünen reflektiert. Die Wahlprogramme von CDU/CSU und FDP enthalten keine dezidierten Positionen zur globalen Gesundheit, befürworten aber eine Reduktion von Mitteln für internationale Entwicklungszusammenarbeit. Zudem fordern sie eine Neuausrichtung deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Die LINKE fordert eine Erhöhung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit, erhebt jedoch keine konkreten Forderungen im Bereich der globalen Gesundheit. Das BSW und die AfD lehnen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und deutsches Engagement in diesem Bereich aus verschiedenen Gründen ab.
CDU/CSU: "Politikwechsel für Deutschland"
Das Wahlprogramm der CDU/CSU fordert, dass sich entwicklungspolitische und humanitäre Programme und Strategien Ansätzen der Rationalisierung unterordnen und unter strengen Kosten-Nutzen-Kriterien prüfen lassen müssen. Globale Gesundheit findet in dem Programm keine Erwähnung.
Im Wahlprogramm der CDU/CSU wird „globale Gesundheit“ nicht erwähnt. Das Wahlprogramm nimmt jedoch Bezug auf das gesundheitsrelevante Querschnittsthema der Auswirkungen des Klimawandels auf Gesundheit. Mit Blick auf den Klimawandel möchte die CDU/CSU „Klimaschutz ganzheitlich denken“ und Klimawandelanpassung auch im Gesundheitssektor auf nationaler Ebene vorantreiben. Zudem solle sich Deutschland wieder als internationaler Gesundheitsstandort etablieren und Lieferengpässe in der Arzneimittelversorgung reduzieren.
Auswirkungen auf die globale Gesundheitspolitik Deutschlands könnten sich auch aus einer von der CDU/CSU angestrebten Zusammenführung der bisher separat im Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) angesiedelten Handlungsfelder der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit ergeben. Gesundheitsbezogene Entwicklungspolitik könnte dann stärker an den strategischen Zielen deutscher Außenpolitik ausgerichtet werden. Die CDU/CSU sieht generell vor, die Entwicklungszusammenarbeit generell stärker an geostrategischen und migrationspolitischen Überlegungen auszurichten. Darüber hinaus möchte sie Frauen und Mädchen in den Mittelpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit stellen und sich für ihr „Recht auf Selbstbestimmung und Familienplanung“ starkmachen, während in Deutschland an der bestehenden Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen festgehalten werden soll.
SPD: "Regierungsprogramm"
Die SPD erkennt in ihrem Wahlprogramm die Bedeutung einer starken globalen Gesundheitspolitik an und bekennt sich deutlich zu Multilateralismus und spezifisch der WHO. Abgesehen von einer „feministischen“ entwicklungspolitischen Ausrichtung wird jedoch im Wahlprogramm nicht ausgeführt, wie die globale Gesundheitspolitik Deutschlands in Zukunft ausgerichtet sein sollte.
In ihrem „Regierungsprogramm“ bekennt sich die SPD deutlich zu Multilateralismus und zu internationaler Zusammenarbeit. Sie benennt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) explizit als zentrale VN-Organisation im Bereich globale Gesundheit.
Die SPD möchte ein eigenständiges Entwicklungsministerium beibehalten und fordert, dass „mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für öffentliche Entwicklungsleistungen (ODA-Quote)“ bereitgestellt werden – auch in den G7-Partnerländern Deutschlands. In einer weiteren Passage des Wahlprogramms fordert die SPD vermehrte Investitionen der internationalen Finanzinstitutionen in „öffentliche Güter“ wie Gesundheit, um für mehr Gerechtigkeit in der internationalen Finanzarchitektur zu sorgen. Die SPD unterstützt die „feministische Außen- und Entwicklungspolitik“ und möchte diese beibehalten und weiterentwickeln. Auf nationaler Ebene möchte die SPD sich für Frauengesundheit und reproduktive Rechte einsetzen, etwa durch die geforderte Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und ihrer Verankerung in der medizinischen Grundversorgung.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN: "Zusammenwachsen"
Das Wahlprogramm der Grünen weist ein Bekenntnis zu globaler Gesundheitspolitik, einer Stärkung der WHO und der weiteren Finanzierung gesundheitsbezogener Entwicklungszusammenarbeit auf. Explizit nennt das Programm die Gesundheitssystemstärkung in Partnerländern sowie die Stärkung der Rechte von Frauen und marginalisierten Gruppen.
Die Grünen begreifen globale Gesundheit in ihrem Wahlprogramm als globale „Herausforderung“, der sie durch „internationale Partnerschaften“ begegnen wollen. Folglich bekennt sich die Partei zu einem starken Multilateralismus und den Vereinten Nationen. Als Lehre der COVID-19-Pandemie möchten sie „Partnerländer im Aufbau ihrer Gesundheitssysteme unterstützen, die Weltgesundheitsorganisation stärken und langfristige Forschungs- und Entwicklungskooperation fördern“. Die Partei bezieht sich dabei auf die Lehren der COVID-19-Pandemie.
Die Grünen bekennen sich zur ODA-Quote von 0,7 Prozent des BNEs für Entwicklungszusammenarbeit zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Ihren entwicklungspolitischen Ansatz verstehen die Grünen als „feministisch und dekolonial“. In diesem Sinne sprechen sie sich für eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik und einer Stärkung von Schutz und Rechten von „Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen weltweit“ aus. Auf deutscher Ebene setzen sich die Grünen für ein geschlechtergerechteres Gesundheitssystem sowie für eine Abschaffung der Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland ein. Die Finanzierung humanitärer Hilfe solle langfristiger und flexibler angelegt werden und zudem stärker lokale Organisationen miteinbeziehen.
Bezüglich des Gesundheitsschutzes setzen sich die Grünen zudem dafür ein, die Leitlinien der WHO zu Luftqualität und Lärmbelastung zum „gesetzlichen Maßstab“ auf deutscher und europäischer Ebene zu erklären.
FDP: "Alles lässt sich ändern"
Die globale Gesundheitspolitik wird in der FDP-Agenda für die Bundestagswahl 2025 nicht explizit genannt. Die Schuldenbremse soll aufrechterhalten und die öffentliche Verwaltung verkleinert werden. Das könnte die finanziellen Spielräume für globale Gesundheitspolitik und Entwicklungszusammenarbeit einschränken.
Die FDP nennt „globale Gesundheit“ nicht explizit in ihrem Wahlprogramm und erhebt keine Forderungen in diesem Bereich.
Auswirkungen auf die globale Gesundheitspolitik Deutschlands könnten durch die von der FDP angestrebte Fusion des BMZ mit dem Auswärtigen Amt zu erwarten sein. Die FDP fordert zudem generell eine Verschlankung des öffentlichen Dienstes durch eine Stellenreduzierung in der Bundesverwaltung, welche sich auch auf die personellen Kapazitäten Deutschlands im Bereich globaler Gesundheit auswirken könnte.
Die Entwicklungspolitik Deutschlands soll laut der FDP strategisch „anhand der wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands und der EU“ ausgerichtet werden. Die FDP möchte sicherstellen, dass Frauen, die „LSBTQ“-Community und marginalisierte Gruppen auch bei staatlichen Repressionen in den Partnerländern weiter erreicht werden können. Auf nationaler Ebene will sich die FDP für eine verbesserte „geschlechtsspezifische“ Gesundheitsversorgung von Frauen einsetzen und die reproduktive Selbstbestimmung von Frauen, u.a. durch eine „Reform“ der Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen, verbessern.
AfD: "Zeit für Deutschland"
Die AfD wendet sich in ihrem Programmentwurf drastisch von Deutschlands derzeitigem Engagement in der globalen Gesundheitspolitik ab. Die Partei stellt die wissenschaftliche Integrität naturwissenschaftlicher und epidemiologischer Forschung und Entwicklung in Frage und lehnt Multilateralismus und internationale Organisationen wie die WHO entschieden ab. Die wissenschaftsfeindlichen Tendenzen sowie die geforderte Abschaffung von NGO-Finanzierung im Falle weltanschaulicher Nonkonformität mit der AfD würden den praktischen Handlungsrahmen von Entwicklungs- und humanitären Organisationen erheblich einschränken.
Die AfD fordert in ihrem Wahlprogramm eine „Reform“ der WHO, um die „eklatante Abhängigkeit von privaten Geldgebern“ zu beenden und die WHO stattdessen durch Mitgliedsbeiträge der Länder zu finanzieren. Sollten die Reformen der WHO nicht im Sinne der AfD umsetzbar sein, möchte die Partei den Austritt Deutschlands aus der Organisation vorantreiben. Da laut AfD-Wahlprogramm der WHO-Pandemievertrag die „persönliche […] Freiheit und Selbstbestimmung“ beschneide und „in die nationalstaatliche Souveränität“ eingreife“, lehnt die Partei den geplanten völkerrechtlichen Vertrag ab. Generell äußert sich die AfD ablehnend gegenüber UN-Organisationen: Diese strebten laut AfD an, im Sinne einer angeblichen „‘Weltregierung‘ nationalstaatliche Kompetenzen einzuschränken“.
Die AfD äußert sich zudem kritisch gegenüber den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, insbesondere während der COVID-19-Pandemie. Sie stellt „Pandemieforschung“ in den Zusammenhang einer angeblichen Einschränkung von Bürger- und Freiheitsrechten, die durch „Staaten und nichtstaatliche Organisationen“ vorangetrieben würden.
Die deutsche Entwicklungspolitik hält die AfD für „gescheitert“ und möchte zukünftige internationale Zusammenarbeit im Entwicklungsbereich an die Bereitschaft der Empfängerländer knüpfen, „ausreisepflichtige Staatsbürger“ aufzunehmen. Mit ihrer Forderung, Gelder für Entwicklungszusammenarbeit auch aus europäischen Töpfen auf die nationale Ebene zurückzuführen, wendet sich die Partei von bestehenden europäischen Übereinkünften ab. Zudem lehnt die AfD sogenannte „gender- und WOKE-ideologiebasierte[…] Entwicklungsprojekte[…]“ ab. Bezüglich sexueller und reproduktiver Rechte lehnt die AfD „alle Bestrebungen ab, Abtreibungen zu einem Menschenrecht zu erklären“ und setzt sich für „das Lebensrecht des ungeborenen Kindes“ ein. Nicht zuletzt möchte die AfD die staatliche Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen reduzieren und „ideologiebasierte Ausgaben“ einsparen.
Die LINKE: "Du verdienst mehr."
Die LINKE sieht in ihrem Wahlprogramm Gesundheit als ein universelles Menschenrecht an und möchte die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit erhöhen. Die Partei will in ihrer Entwicklungspolitik einen Fokus auf Menschenrechte und den Schutz marginalisierter Gruppen legen und positioniert sich für eine ausgeweitete Finanzierung des humanitären Asylsystems.
Die LINKE möchte das „Menschenrecht auf Gesundheit“ stärken und setzt sich für eine lizenzfreie Nachproduktion von Medikamenten und Impfstoffen ein, deren Forschung durch Steuergelder mitfinanziert wurde.
Die Partei bekennt sich zum bestehenden Lieferkettengesetz und macht sich explizit für die Einhaltung des Gesundheitsschutzes in Lieferketten stark. Zudem möchte die LINKE in Zukunft mehr Mittel für internationale Entwicklungspolitik bereitstellen und bekennt sich zur UN2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung. Sie möchte die ODA-Quote von 0,7 Prozent anheben und fordert zudem die Einhaltung von „Menschenrechten, Schutz von Frauen, Mädchen und LSBTIQ+ und Schutz von Kindern und Jugendlichen“ in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe. Schwangerschaftsabbrüche sollen entkriminalisiert und zur medizinischen Grundversorgung hinzugefügt werden. Zugleich lehnt die LINKE die Verausgabung von Entwicklungsgeldern für „zivil-militärische Zusammenarbeit“ oder Maßnahmen gegen die Aufnahme Geflüchteter ab.
BSW: "Unser Land verdient mehr!"
Aus dem Wahlprogramm des BSW geht ein grundlegendes Misstrauen gegenüber internationalen VN-Organisationen hervor, von denen die WHO explizit als Negativbeispiel genannt wird. Darüber hinaus stellt es grundlegend in Frage, ob medizinische und epidemiologische Forschung sowie der deutsche Gesundheitsschutz unabhängig seien. Die Partei strebt eher an, deutsches Engagement in der globalen Gesundheitspolitik zu depriorisieren: Das BSW versteht Entwicklungszusammenarbeit und Deutschlands humanitäres Engagement zweckrational und verknüpft Deutschlands Aktivitäten in diesem Bereich direkt mit der Forderung, dass hierdurch Migration nach Deutschland reduziert werden solle.
Das BSW äußert sich in seinem Wahlprogramm nicht explizit zu globaler Gesundheit. Im Wahlprogramm enthalten ist jedoch eine Ablehnung des WHO-Pandemievertrags, der dem WHO-Generalsekretär „erweiterte […] Kompetenzen“ gewähre. Zudem soll nach Willen des BSW die „unrühmliche Rolle“ der WHO während der COVID-19-Pandemie aufgearbeitet werden. Der BSW kritisiert darüber hinaus die angebliche „Abhängigkeit“ der WHO von den „Finanzmitteln multinationaler Konzerne“.
Bezogen auf die COVID-19-Pandemie fordert das BSW einen Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag zur Aufarbeitung des „Unrechts“ durch Impfvorschriften und behördliche Einschränkungen zur Pandemiebekämpfung. „Impfschäden“ durch die Impfungen gegen COVID-19 sollen stärker untersucht werden. Zudem fordert die Partei eine Reform des Robert-Koch-Instituts, um es gegenüber „politische[r] Einflussnahme“ zu schützen.
Das BSW möchte die deutsche Entwicklungszusammenarbeit an der Verbesserung der „Lebensbedingungen in den Ländern des Globalen Südens“ ausrichten. Ziel sollen die Verbesserung der „Lebensqualität vor Ort“ und Ursachenbekämpfung von Migration sein. Nach Willen des BSW sollen humanitäre Organisationen in Krisenregionen finanziell besser unterstützt werden, um den Menschen lokal zu „helfen“. Das Wahlprogramm nimmt keinen Bezug auf reproduktive Gesundheit und Rechte.