Rückblick: Im Dialog mit nichtstaatlichen Akteuren zum Internationalen Pandemieabkommen
Am 29. März 2023 versammelten sich hochrangige Gäste, um über das Engagement der Bundesregierung im Entwicklungsprozess des Internationalen Pandemieabkommens zu informieren und die Perspektiven des nichtstaatlichen Raums zu diskutieren. Die Veranstaltung wurde gemeinsam vom BMG, dem AA und dem Global Health Hub Germany initiiert und fand im WHO Hub in Berlin statt.
Hintergründe des Pandemieabkommens
Die COVID-19 Pandemie und ihre verheerenden Auswirkungen haben eindringlich die Bedeutsamkeit einer widerstandsfähigen internationalen Gesundheitsarchitektur gezeigt. Mit dem Beschluss der Weltgesundheitsversammlung (WHA) zur Entwicklung eines Internationalen Pandemieabkommens wurde im Dezember 2021 ein entscheidender Schritt zur Neugestaltung dieser im Bereich der Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion eingeleitet. Die Chancen und Potenziale eines solchen Vertrages sind enorm. Er bietet nicht nur die Möglichkeit, die Pandemiebekämpfung zu verbessern, sondern auch nachhaltig globale Gesundheit zu stärken. Im Sinne eines „Whole of Society“-Ansatzes organisierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits zwei öffentliche Anhörungen im vergangenen Jahr. Dr. Thomas Steffen, Staatssekretär des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), eröffnete die Austauschveranstaltung und betonte die Bedeutung eines völkerrechtlich verbindenden internationalen Rahmens unter der Schirmherrschaft der WHO, um auf künftige Pandemien angemessen vorbereitet zu sein und sie im besten Fall zu verhindern. Herr Dr. Steffen und Herr Dr. Günter Sautter, Abteilungsleiter im Auswärtigen Amt (AA) sind sich hinsichtlich der Bedeutung eines Internationalen Pandemieabkommens einig. Jedoch verwies letzterer auf Herausforderungen, die bei der Umsetzung für das internationale Recht entstünden. Die Unsicherheiten und das Misstrauen des globalen Südens gegenüber dem Internationalen Pandemieabkommen erforderten Aufklärungsarbeit. Auch geopolitische Interessen müssten in den Verhandlungen berücksichtigt werden. Eine handlungsfähige Bundesregierung und ein europäischer Konsens seien hierbei essenziell, um das Internationale Pandemieabkommen bis zum Mai 2024 zu beschließen. Dr. Chikwe Ihekweazu, stellvertretender Generaldirektor der WHO und Leiter des WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence, schloss die einleitende Runde ab und betonte die Bedeutung einer belastungsfähigen Plattform für Pandemieprävention und globale Gesundheit, die der WHO Hub gemeinsam mit weiteren Akteuren aufbaut. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Prof. Dr. Johanna Hanefeld, ehemaligem Mitglied des Interim-Lenkungskreises des Global Health Hub Germany und Leiterin des Zentrums für Internationalen Gesundheitsschutz am Robert Koch-Institut.
Die Perspektiven nichtstaatlicher Akteure zum Pandemievertrag
Sowohl dem BMG als auch dem Global Health Hub Germany ist es ein wichtiges Anliegen, den Austausch unter den Global Health Akteuren in Deutschland zu fördern und deren Perspektiven in den Entstehungsprozess des Internationalen Pandemieabkommens einzubringen. Die Positionen nichtstaatlicher Akteure sind für einen ganzheitlichen Ansatz zur Erarbeitung der deutschen Positionierung in diesem Prozess elementar.
Auf der Austauschveranstaltung diskutierten die folgenden nichtstaatlichen Akteure die bestehenden Chancen und Herausforderungen des Internationalen Pandemieabkommens anhand des aktuell vorliegenden Zero Drafts:
- Miriam El-Mahdi (Deutsche Jugenddelegierte des BMG zur 76. Weltgesundheitsversammlung)
- Roland Göhde (German Health Alliance)
- Melissa Scharwey (Ärzte ohne Grenzen e.V.)
- Dr. Pedro Alejandro Villarreal Lizárraga (Stiftung Wissenschaft und Politik)
Somit waren jene Akteursgruppen auf dem Podium vertreten, die der Global Health Hub Germany als Jugend, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Think Tanks definiert.
Im Laufe der Diskussion kristallisierten sich folgende Perspektiven heraus:
- Flexibilität: Die Akteursgruppe Think Tanks begrüßte die Erwähnung des TRIPS Waiver im Zero Draft, durch welchen der Schutz des geistigen Eigentums an Covid-19-Technologien zeitweise ausgesetzt werden könne.
- Lieferketten: In Bezug auf die Erfahrungen aus der Covid-19 Pandemie betonte das Podium die Wichtigkeit der Etablierung robuster Lieferketten und ausreichender Pufferlager. Wenn die Lieferketten stärker reguliert werden erhöht das zudem die Transparenz in diesem Bereich.
- Informationsaustausch: Die Akteursgruppe Zivilgesellschaft ging näher auf die im Zero Draft genannten Anreize und Benefits für Datenanbieter ein, welche weiter ausgewertet werden sollten, um einen gerechteren Zugang zu Daten und Informationen zu gewährleisten. Außerdem seien die Verantwortlichkeiten und der Gestaltungsbereich des Pathogen Access and Benefit-Sharing System (PABS System) noch nicht ausreichend geklärt. Die Akteursgruppe Jugend betonte die Relevanz des digitalen Kapazitätsaufbaus für die Pandemieprävention und forderte eine leitende Governance-Struktur, die Risiken bei der Bereitstellung von Daten minimiert.
- Multi-Stakeholder-Ansatz: Die Akteursgruppe Wirtschaft priorisierte eine einheitliche digitale Infrastruktur für den offenen Austausch von Gesundheitsdaten als Chance für die Privatwirtschaft zur Entwicklung einer kostengünstigen Gesundheitslösung. Zudem wurde die Relevanz des Multi-Stakeholder-Ansatzes betont und der Privatsektor als wichtige Akteursgruppe bei der Pandemiebekämpfung genannt. Auch die Akteursgruppe Jugend forderte eine stärkere Priorisierung von jungen Menschen als vulnerable Gruppe und ihre Einbeziehung in den Vertragsprozess.
- Ambition und Realismus: Das Podium forderte ein ambitioniertes Präventionsmodell und eine höhere Beteiligung der nationalen Gesundheitsausgaben zur Pandemiebekämpfung. Wenn öffentliche Gelder zum Beispiel für die Forschung und Entwicklung eingesetzt werden, erfordere das zudem eine erhöhte Transparenz. Es sei generell wichtig, dass ein Konsens gefunden werde, ohne dabei die Wirksamkeit des Internationalen Pandemievertrages zu beeinträchtigen.
Die Perspektiven der Parlamentarier zum Pandemievertrag
Im Anschluss an die produktive Diskussion der nichtstaatlichen Akteure wurde der Fokus auf die Perspektive des parlamentarischen Raums gelenkt. Das neue Podium setzte sich aus Tina Rudolph (SPD), Johannes Wagner (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Georg Kippels (CDU) und Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP) zusammen.
Dabei wurden folgende Perspektiven deutlich:
- Prävention: Teilweise zeigte sich das Podium optimistisch, dass eine verbesserte Pandemieprävention durch eine verstärkte Umsetzung der Triade "Preparedness, Prevention und Response" möglich ist. Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass die Prävention im Pandemieabkommen zu kurz käme. Das Ziel solle sein, Pandemien gar nicht erst entstehen zu lassen, denn selbst eine gute Reaktion könne nicht alle Schäden verhindern. Die Anerkennung der Bedeutung von Systemstärkung und Universal Health Coverage als wichtige Säulen für Prävention wurde begrüßt.
- Vertrauen und internationale Zusammenarbeit: Als besonders bedeutend wurden internationale Zusammenarbeit und internationales Vertrauen angesehen. Nur wenn alle Akteure zusammenarbeiten und ihre Anstrengungen koordinieren würden, könne besser auf zukünftige Pandemien reagiert werden. Deshalb müssten alle Staaten in den Prozess der Impfstoffverteilung einbezogen werden. Das Pandemieabkommen könne dazu beitragen, das internationale Vertrauen zu stärken und den Prozess der Verteilung von Impfstoffen zu beschleunigen.
- Kooperation: Die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft sowie die Teilhabe des globalen Südens am Internationalen Pandemieabkommen wurde hervorgehoben. Außerdem müssten Daten geteilt werden, ohne dass die Souveränität von Staaten verletzt würde.
- Abschluss statt Detailtreue: Ein Teil des Podiums wies darauf hin, dass die Konsensfindung über eine zu detaillierte Ausarbeitung theoretischer Kausalketten gestellt werden sollte, damit das Pandemieabkommen letztendlich realisiert würde. Es wurde allerdings auch verlangt, dabei nicht zu genügsam zu sein, sondern die notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um die Ziele des Abkommens zu erreichen.
- Die Rolle der WHO: Das Podium war sich über die Relevanz der WHO als zentrale Instanz des Internationalen Pandemieabkommens einig. Diese sei notwendig, um die Umsetzung zu koordinieren und eine einheitliche Strategie zu entwickeln. Es bedürfe einer Institution, die eine Führungsrolle einnimmt, ohne nationalstaatliche Kompetenzen in Frage zu stellen. Daher solle die WHO weiterhin gestärkt werden.
Ausblick
Bei der Ausarbeitung eines so bedeutenden Instruments wie dem Internationalen Pandemieabkommen ist die Integration von Vertreter*innen von Wissenschaft, Wirtschaft, Jugend, Politik und Zivilgesellschaft besonders wichtig. Dementsprechend werden das Bundesministerium für Gesundheit, das Auswärtige Amt und der Global Health Hub Germany auch in Zukunft den Dialog mit nichtstaatlichen Akteuren zu wichtigen Gesundheitsthemen aufrechterhalten und neben öffentlichen Veranstaltungen auch bilaterale Abstimmungen durchführen.
Image source: Global Health Hub Germany / Thomas Ecke