Teil 2 Globale Gesundheit unter Druck: Wie die US-Politik sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte beeinflusst

20. Februar 2025 I  Women's Health ,  Neues aus dem Hub  I von : Felice Hellweg

Die neue US-Regierung ist seit nicht mal einem Monat im Amt und das hat bereits jetzt weitreichende Folgen für die globale Gesundheit. Im zweiten Teil unserer Artikelserie beleuchten wir, wie die aktuellen US-Politik im Bereich Globale Gesundheit sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte (SRGR) beeinflusst und sich auf NROs auswirkt. Dafür haben wir mit verschiedenen Expert*innen aus Wissenschaft, Politik und der internationalen Zusammenarbeit gesprochen.

Auswirkungen der US-amerikanischen Politik im Bereich Globale Gesundheit und Entwicklungszusammenarbeit auf sexuelle und reproduktive Gesundheit weltweit

Die neue US-Regierung ist seit nicht mal einem Monat im Amt und das hat bereits jetzt weitreichende Folgen für die globale Gesundheit. Im zweiten Teil unserer Artikelserie beleuchten wir, wie die aktuellen US-Politik im Bereich Globale Gesundheit sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte (SRGR) beeinflusst und sich auf NROs auswirkt. Dafür haben wir mit verschiedenen Expert*innen aus Wissenschaft, Politik und der internationalen Zusammenarbeit gesprochen.

2017, in seiner letzten Amtszeit, kürzte Trump auch das Budget für den Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) um 70 Millionen US-Dollar. Da UN-Organisationen wie UNFPA von der Mexico City Policy nicht betroffen sind, haben sich republikanische Regierungen für die Kürzung der Mittel auf das Kemp-Kasten Amendment berufen. Dieses wurde 1985 eingeführt und besagt, dass keine US-Finanzmittel für Organisationen eingesetzt werden dürfen, die Zwangsabtreibungen oder unfreiwillige Sterilisationen unterstützen oder daran mitwirken. UNFPA setzt sich nicht für Zwangsabtreibungen oder unfreiwillige Sterilisationen ein, doch diese Desinformation verbreiteten US-Regierungen unter Reagan, Bush und Trump, da UNFPA auch in China aktiv ist. Dies war und ist für die republikanischen Regierungen ausreichend, um das Amendment als politischen Hebel zu nutzen, um Organisationen wie UNFPA die Gelder zu kürzen oder zu entziehen.

Der 90-tägige Finanzierungsstopp in der aktuellen Amtszeit ist insbesondere für die Behandlung und Prävention von HIV/AIDS fatal. Angela Bähr, die als Vorständin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) für die Programme der Stiftung verantwortlich ist, hat von ihren Partnerorganisationen in Kenia erfahren, dass durch den Finanzierungsstopp HIV-Medikamente nicht mehr geliefert werden können. Der ostafrikanische Staat hat zwar noch Medikamente auf Lager, diese werden aber höchstens noch sechs Monate ausreichen. Ein Versorgungsstopp mit

HIV-Medikamenten hätte verheerende Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und könnte im schlimmsten Fall die Erfolge im Kampf gegen HIV/AIDS, die in den letzten Jahrzehnten erzielt wurden, torpedieren. Sie erklärt, dass bereits kurze Unterbrechungen der antiretroviralen Therapie dazu führen, dass die Viruslast der Betroffenen schnell ansteigt. Das Programm PEPFAR (The United States President’s Emergency Plan for AIDS Relief) erhielt eine Woche nach Inkrafttreten des 90-tägigen Finanzierungsstopps eine begrenzte Ausnahmeregelung und konnte dadurch einige Dienste wieder aufnehmen. Für Angela Bähr ist diese Ausnahmeregel lebensrettend. Gleichzeitig merkt sie jedoch an, dass sie mit einer verschärften „Global Gag Rule“ sehr schwer umzusetzen sein wird und stellt die Frage wie PEPFAR seine Programme weiter umsetzen soll, wenn bereits Personal entlassen wurde.

In diesem Artikel sprechen wir von Mädchen* und Frauen*, da die Daten zu sexueller und reproduktiver Gesundheit im Bereich Schwangerschaften und Abtreibungen sich häufig auf Frauen* und Mädchen* beziehen. Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass natürlich auch nicht-binäre, intersexuelle und Trans* Personen von Schwangerschaften, Menstruation und geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind. Wir verwenden das Gender-Sternchen, um dieser geschlechtlichen Vielfalt Raum zu geben.

In vielen Ländern, insbesondere in Subsahara-Afrika, sind Schwangerschaftsabbrüche verboten. Laut dem Center for Reproductive Rights hat sich die Lage seit 1994 jedoch im Allgemeinen gelockert. Andere Länder wie die USA oder Polen haben ihre Gesetze gleichzeitig verschärft. Bei 15- bis 19-jährigen Mädchen* zählen Komplikationen in der Schwangerschaft und während der Geburt noch immer zu den häufigsten Todesursachen, wie aus einem UNFPA-Bericht von 2023 hervorgeht. Häufig sind unsichere Schwangerschaftsabbrüche dafür verantwortlich. Ungewollte Schwangerschaften können aber auch psychische Probleme verursachen. Angela Bähr erklärt, dass junge Frauen* aufgrund dessen häufig Suizidgedanken entwickeln.  

Das Guttmacher Institute, eine US-amerikanische Forschungs- und Politikberatungsorganisation, hat die Auswirkungen der „Global Gag Rule“ auf die Gesundheitssysteme in Äthiopien und Uganda untersucht. Bevor die Richtlinie 2017 durch Trump wieder eingeführt wurde, hatte Uganda die Möglichkeiten der Familienplanung und den Zugang zu Verhütungsmitteln erheblich verbessern können. Unter Trump stagnierte dieser Trend, besonders in Distrikten, die von der „Protecting Life in Global Health Assistance“ (PLGHA) betroffen waren. Dort verschlechterte sich die Gesundheitsversorgung sogar, weil es weniger Gesundheitshelfer*innen in den Gemeinden gab. In Uganda sind Schwangerschaftsabbrüche verboten und werden selbst bei Lebensgefahr kaum legal durchgeführt. Trotzdem stiegen die Zahlen von Nachsorgebehandlungen nach Schwangerschaftsabbrüchen in Kliniken zwischen 2017 und 2021 um 16% – nicht trotz, sondern wegen der PLGHA. Schulen bieten oft unzureichende Aufklärung, wie Angela Bähr berichtet. Bei einem ihrer Besuche an einer Sekundarschule in Uganda erklärte ein Lehrer seinen Schüler*innen etwa, Abstinenz sei die beste Verhütung. Dies ist im Schulcurriculum für unter 18 jährige Schüler*innen so vorgegeben. Lokale NROs, die gute Aufklärungsangebote für junge Frauen* bereitstellen, reduzieren zudem ihre Arbeit aus Angst vor Finanzierungsverlust durch die „Global Gag Rule“.

Die fehlende Finanzierung aus den USA wirkt sich zudem auf die Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln aus. Auch in Äthiopien, wo es seit Jahrzehnten große Fortschritte im Bereich Familienplanung und Verhütung gegeben hatte, verschlechterte sich die Situation durch die „Global Gag Rule“ wieder. Verhütungsmittel waren zwischen 2017 und 2021 in einigen Gesundheitseinrichtungen Mangelware, schildert Colette Rose vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, eine unabhängige Denkfabrik, die sich mit demografischen Veränderungen und deren gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Auswirkungen befasst. Anders als in Uganda sind Abtreibungen in Äthiopien legal. Die äthiopische Regierung engagierte sich gemeinsam mit äthiopischen NROs, die sich gegen die „Global Gag Rule“ stellten, dafür, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht verhindert wurden. Dieses Engagement wäre jedoch nicht ohne weitere externe Finanzierungen möglich gewesen.

Wie sich die aktuelle Amtszeit auf die Gesundheitsversorgung auswirken wird, bleibt abzuwarten. Seit Trumps Amtseinführung kam es bereits zu weiteren Einschnitten und Verschärfungen für die US-amerikanische Entwicklungszusammenarbeit – wie auch vor der Wahl im sogenannten „Project 2025“ skizziert wurde. Zudem könnten durch aktuelle Krisen und Konflikte weniger Gelder anderer Geber zur Verfügung stehen.

Colette Rose arbeitet schon seit vielen Jahren in der Forschung zu sexueller und reproduktiver Gesundheit mit einem Schwerpunkt auf Afrika – seit drei Jahren am Berlin-Institut und zuvor beim Guttmacher Institute. Sie betont die verheerenden Auswirkungen der Global Gag Rule, insbesondere wenn diese auch auf Humanitäre Hilfe ausgeweitet werden würde – ein Bereich in dem von Kriegen und Konflikten oder Umweltkatastrophen betroffene Frauen* und Mädchen* besonders stark auf eine gute Versorgung mit sexuellen und reproduktiven Gesundheitsdiensten angewiesen sind. Colette Rose beschreibt, dass die Regelung in der Vergangenheit dazu geführt habe, dass Schwangerschaftsabbrüche stärker stigmatisiert wurden.

Ottmar von Holtz ist seit Januar 2024 erneut Mitglied des Bundestages und der entwicklungspolitische Sprecher seiner Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Er ist Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, im Unterausschuss Globale Gesundheit und im Unterausschuss Vereinte Nationen, internationale Organisationen und zivile Krisenprävention. Ottmar von Holtz warnt davor, dass es durch die US-amerikanische Politik zu einem allgemeinen Setback in der globalen Gesundheit kommen wird. Dies hätte dann nicht nur Auswirkungen auf sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte sowie Infektionskrankheiten weltweit, sondern auch auf Initiativen der lokalen Impfstoffproduktion in Afrika, einen Bereich, in den die USA bisher stark investiert haben. Abhängigkeiten afrikanischer Staaten vom sogenannten Globalen Norden würden somit weiter zementiert werden.

Auswirkungen der „Global Gag Rule“ und des Finanzierungstops auf NROs

Momentan spüren NROs weltweit insbesondere die Auswirkungen des 90-tägigen Finanzierungsstopps für die Entwicklungszusammenarbeit der USA. Diese Lücke lässt sich auch von anderen Gebern nicht auffangen – insbesondere in Zeiten, in denen „Official Development Assistance“ (ODA) in vielen Ländern, darunter auch Deutschland, in Frage gestellt und gekürzt werden. Die Auswirkungen der „Global Gag Rule“ machen die Situation für NROs jedoch potenziell noch komplizierter. Nicht US-amerikanische NROs können zwar weiterhin finanzielle Mittel für Globale Gesundheit erhalten, wenn sie angeben, mit den Bedingungen von „Protecting Life in Global Health Assistance“ einverstanden zu sein, aber dies stellt viele Organisation vor ein moralisches Dilemma.

Die internationale NRO MSI Reproductive Choices, die weltweit Verhütungsmittel und sichere Abtreibungsdienste anbietet, ist beispielsweise von den Auswirkungen der Regelung betroffen. Laut eigenen Angaben rechnet die NRO in der aktuellen Amtszeit mit finanziellen Einbußen von bis zu 14 Millionen US-Dollar aus den USA. MSI geht davon aus, dass dadurch ca. 2,6 Millionen Menschen den Zugang zu Diensten im Bereich SRGR verlieren könnten. Durch den Wegfall ihrer Dienste könnte es MSI zufolge zu ungefähr 2,4 Millionen ungewollten Schwangerschaften kommen.

Auch die International Planned Parenthood Federation (IPPF) rechnet mit Einbußen von über 61 Millionen US-Dollar für Programme im Bereich sexuelle und reproduktive Gesundheit. 16 Gesundheitsprojekte in 13 Ländern von IPPF sind bisher von der „Global Gag Rule“ betroffen. Andere Organisationen entscheiden sich daher dafür, die „Global Gag Rule“ zu unterzeichnen, um zumindest in eingeschränktem Maße ihre Arbeit weiterführen zu können.

Im Interview mit uns betont Ottmar von Holtz, dass es Deutschlands Verantwortung sei, in Ländern der Entwicklungszusammenarbeit genau hinzuschauen, welche NROs vom Finanzierungsstopp der USA betroffen sind und, wenn möglich, dort gezielt zu unterstützen. Trotzdem gibt er zu bedenken, dass Deutschland nicht die gesamte Finanzierungslücke auffangen können werde.

Internationale und deutsche Haltung zum politischen Kurs der USA

Als Reaktion auf die Verschärfung der Mexico City Policy zu Beginn der letzten Amtszeit von Donald Trump wurde die Bewegung SheDecides von der ehemaligen niederländischen Entwicklungsministerin Lilianne Ploumen ins Leben gerufen. Die Kampagne setzt sich dafür ein, die Gesundheit und Selbstbestimmung von Frauen* und Mädchen* zu fördern. Heute ist sie eine der führenden Advocacy-Bewegungen für Frauenrechte weltweit. Auch Deutschland unterstützt die Kampagne.

Ottmar von Holtz betont, dass es gerade jetzt wichtig sei, die Arbeit in Kampagnen wie SheDecides weiterzuführen und am Thema sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte dranzubleiben. Deutschland habe sich durch das Engagement in der Kampagne und seine kontinuierliche Arbeit im Bereich SRGR international Glaubwürdigkeit erarbeitet.

Das Engagement für SRGR in internationalen Foren wird zunehmend herausfordernder. Laut dem Berlin-Institut formiert sich der Widerstand gegen körperliche Selbstbestimmung und LGBTIQ+ Rechte zur „Anti-Gender-Bewegung“. Diese wird nun auch aus den USA auf höchster politischer Ebene unterstützt. Errungenschaften wie die der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking müssen verteidigt werden. Ottmar von Holtz warnt, dass repressive Kräfte versuchen bereits bestehende Konzepte wieder zurückzudrängen. Das zeigt sich z.B. in der Geneva Consensus Declaration on Promoting Women's Health and Strengthening the Family, die sich klar gegen Schwangerschaftsabbrüche ausspricht und 2020 von 34 Staaten, unter anderem den USA, unterzeichnet wurde.

Global Health Hub Germany Logo