The snail is about to run backwards – Push back the pushback

04. August 2025 I  News ,  Politics  I von : Dr. Kirsten Kappert-Gonther, MdB (Bündnis 90/Die Grünen)
Dr. Kirsten Kappert-Gonther International Parliamentary Union (IPU) ©Meri Disoski

Weltgemeinschaft fordert beschleunigte Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele 

„Die Nachhaltigkeitsziele sind kein Traum“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres bei der Eröffnung des diesjährigen High-Level Political Forum (HLPF25) der Vereinten Nationen am 21. Juli 2025 in New York. „Sie sind ein Plan – ein Plan, um unser Versprechen einzulösen: gegenüber den Verletzlichsten unter uns und künftigen Generationen.“ 

Über zwei Wochen lang kamen über 6000 Teilnehmende aus der ganzen Welt unter dem Dach der UN zusammen, um über die Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) zu beraten. Die Agenda 2030 verpflichtet alle Mitgliedsstaaten dazu, die Ziele bis spätestens 2030 umzusetzen – es bleiben also nur noch fünf Jahre, um entscheidend voranzukommen. 

Bob Rae, Präsident des Wirtschafts- und Sozialrats der UN (ECOSOC), der die Verhandlungen zur Abschlusserklärung leitete, brachte es auf den Punkt: „Die SDGs repräsentieren den gesunden Menschenverstand für Humanität. Die Stärkung nationaler Verantwortung ist unerlässlich.“ Und weiter: „Wir müssen die Relevanz der UN durch konkrete Ergebnisse unter Beweis stellen – indem wir zeigen, dass Multilateralismus echten, greifbaren Nutzen für Menschen auf allen Ebenen bringt!“ 

Und ich möchte hinzufügen: in jedem Alter. Die Atmosphäre war der ernsten Weltlage entsprechend: besorgt, aber zugleich entschlossen und hoffnungsvoll. Denn es geht um nichts Geringeres als unsere gemeinsame Zukunft – um Gesundheit, Gerechtigkeit und Würde für alle Menschen, unabhängig von Alter, Herkunft und Geschlecht. Die anwesenden Delegierten einte das Ziel, gemeinsam für die Umsetzung der SDGs einzustehen. Es war eine enorme Kraft und Entschlossenheit spürbar. 

Schrumpfende Räume für Zivilgesellschaft 

Die deutsche Delegation gehörte zu den wenigen, die stark zivilgesellschaftlich vertreten waren – mit einer Vielzahl von NGOs. Auch Finnland war in dieser Hinsicht vorbildlich, sogar der Ministerpräsident reiste persönlich an und bekräftigte Finnlands Engagement für die SDGs. Umso irritierender und enttäuschender war es, dass der deutsche Kanzler nicht einmal ein Grußwort anlässlich des HLPF sandte – was in den vergangenen Jahren üblich war. 

Unsere deutsche Delegation hingegen war exzellent: Delegationsleitung waren die Parlamentarischen Staatssekretärinnen Dr. Bärbel Kofler (BMZ) und Rita Schwarzelühr-Sutter (BMUKN), mit dabei zwei Abgeordnete des Deutschen Bundestags (Volker Mayer-Lay (CDU) und ich (Bündnis 90/Die Grünen)), Mehrere Bürgermeister*innen nahmen ebenfalls Teil – was besonders sinnvoll  ist, da viele SDGs lokal umgesetzt werden – sowie - und das erscheint mit am Wichtigsten - waren zudem zahlreiche Vertreter*innen von zivilgesellschaftlichen Organisationen Teil der offiziellen Delegation, von Brot für die Welt über UN Women Germany bis Greenpeace. 

Viele andere Staaten konnten sich nicht durch die Zivilgesellschaft vertreten lassen – nicht aus mangelndem Willen der Vertreter*innen, sondern weil die Visa-Vergabe durch die USA zunehmend restriktiver wird. In manchen Fällen waren die Reisekosten zu hoch, besonders für Teilnehmer*innen aus Low-Income Countries. Es wird bereits diskutiert, zukünftige HLPFs außerhalb der USA durchzuführen, um wieder mehr zivilgesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.  

Gesundheit und Wohlbefinden – One Health als Schlüssel 

Im Fokus des HLPF25 standen die SDGs 3 (Gesundheit und Wohlbefinden), 5 (Geschlechtergleichstellung), 8 (Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum), 14 (Leben unter Wasser) und 17 (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele). Mein Eindruck: Globale Gesundheit wird zunehmend als Schlüsselthema erkannt. Die gesundheitlichen Folgen der Klimakrise, aber auch die positiven Effekte nachhaltigen Wirtschaftens auf die Gesundheit wurden immer wieder betont.  

Die abschließende Ministererklärung, die am 23. Juli mit 154 Stimmen dafür angenommen wurde, bringt ausdrücklich zum Ausdruck: Armut macht krank – und Krankheit macht wiederum arm. Die WHO wird in ihrer Bedeutung für globale Gesundheit unterstrichen – ebenso wie der ungehinderte Zugang zu Gesundheitsversorgung weltweit. 

Abschließende Ministererklärung

Reproduktive Gerechtigkeit und intersektionale Diskriminierung  

Die Verhandlungen zur abschließenden Ministererklärung mit insgesamt 130 Absätzen waren intensiv. Auch die USA beteiligten sich aktiv – allerdings hauptsächlich mit kritischen Positionen zu Klimaschutz und Frauenrechten. Trotz intensiver Bemühungen kam es zu keiner vollständigen Einigung: Die USA stimmten am Ende  – gemeinsam mit einer weiteren Nation – gegen die Erklärung. Ihre Begründung: Ablehnung des angeblich „klima- und genderideologischen“ Tenors der Erklärung. 

Andere Länder gaben sogenannte „interpretative Erklärungen“ ab: Sie stimmten zu, um zu einer gemeinsamen Erklärung zu kommen, lehnten jedoch die Begriffe „reproductive rights“ und „intersectional discrimination“ als Termini ab. 

123 und 0 – die Schnecke läuft rückwärts 

In der parlamentarischen Debatte der Interparlamentarischen Union sprach ich über die enge Verbindung zwischen SDG 3 (Health/Well-Being) und SDG 5 (Gender Equality). Wenn es im derzeitigen Tempo weitergeht, wird es noch 123 Jahre dauern, bis weltweit Geschlechterleichstellung erreicht ist.  

Aktuell gibt es kein einziges Land, in dem Geschlechtergleichstellung vollständig erreicht ist. 

Es ist dringend notwendig, den Gender Health Gap zu schließen und den Zugang zu reproduktiver Gesundheitsversorgung weltweit zu verbessern. Der Fortschritt war bisher schmerzhaft langsam, glich einer Schnecke, die nun sogar droht  rückwärts zu laufen und das schnell. Rund ein Viertel aller Staaten untergräbt derzeit sein eigenes Versprechen, Gleichstellung, Rechte und Schutz für Frauen und Mädchen zu gewährleisten. Das dürfen wir nicht zulassen.  

Aus diesem Grund plädiere ich mit Nachdruck: Push back the pushbacks! 

HLPF endet mit Appell zu beschleunigtem Handeln für nachhaltige Entwicklung 

Die Antwort auf den zunehmenden Druck auf Demokratie und Multilateralismus, auf das drohende Zurückdrehen globaler Verpflichtungen, war eindeutig: Die über 6000 Delegierten bekräftigten ihre Forderung nach entschlossenerem Handeln bei der Umsetzung der SDGs – besonders für die Gruppen in vulnerablen Settings weltweit. 

Dass der Internationale Gerichtshof zeitgleich während des HLPFs urteilte, Klimaziele seien keine freiwillige Kür, sondern eine verbindliche Pflicht, stärkte die Position der Versammlung zusätzlich. Wohlhabenden Staaten des Nordens müssen mehr leisten – weil sie es können und weil ihr CO₂-Fußabdruck verhältnismäßig größer ist. 

Es liegt in der Verantwortung jedes einzelnen Staates – aber nur gemeinsam können wir die SDGs erreichen. Die Agenda 2030 ist kein bloßer Plan, sie ist ein verpflichtender globaler Auftrag.  

Push back the pushbacks – für unsere Gesundheit in jedem Alter, für Menschen in besonders verletzlichen Lebenslagen, für unsere gemeinsame Zukunft, damit niemand zurückbleibt! Globale Gesundheit ist dafür ein entscheidender Schlüssel. 

 

Wir haben Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Mitglied des Bundestags, Bündnis 90/Die Grünen) eingeladen, ihre persönlichen Reflektionen zum High Level Political Forum 2025 mit uns zu teilen. Die geäußerten Ansichten sind ihre eigenen und spiegeln nicht notwendigerweise die Position des Global Health Hub Germany wider.

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