UN High-Level Meetings 2023: Wie sollte Deutschland sich zu globaler Gesundheit positionieren?
Nichtstaatliche Akteure im Dialog mit den Bundesministerien in Vorbereitung auf die hochrangigen Gesundheitstreffen der Vereinten Nationen in New York im September 2023.
2023 ist ein wichtiges Jahr für die globale Gesundheit und die nachhaltige Entwicklung weltweit. Zur Halbzeit und Überprüfung der Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer Ziele berufen die Vereinten Nationen den „SDG-Summit“ im September 2023 ein. Zudem initiierte die Generalversammlung der Vereinten Nationen acht weitere hochrangige Treffen (United Nations High-Level Meetings, UNHMLs) in New York, drei davon allein zu Gesundheit. Gesundheit steht bei den Staats- und Regierungschefs weltweit hoch auf der politischen Agenda, nicht zuletzt aufgrund der Covid-19-Pandemie und ihren gravierenden Folgen. Doch wird diese politische Aufmerksamkeit auch zu konkreten Zusagen und verstärkter Zusammenarbeit für globale Gesundheit führen?
Um Impulse aus dem nichtstaatlichen Raum für die Vorbereitung der Bundesregierung auf die UNHLMs zu „Universal Health Coverage“ (UHC), Tuberkulose (TB) und Pandemieprävention, -vorsorge und -bewältigung (PPR) geben zu können, befragte der Global Health Hub Germany seine Mitglieder zu prioritären Inhalten und Erwartungen an die deutsche Position. Im Rahmen eines virtuellen Austauschs wurden die schriftlichen und mündlichen Rückmeldungen von Mitgliedern aus den Akteursgruppen Jugend, Wissenschaft, Think Tanks, Stiftungen, internationale Organisationen, nachgeordnete Behörden, Wirtschaft und Zivilgesellschaft mit den zuständigen Ministerien geteilt.
Erwartungen an die Treffen der Staats- und Regierungschefs in New York und die deutsche Position
Die nichtstaatlichen Akteure erhoffen sich von den hochrangingen Treffen der Vereinten Nationen zu Gesundheit konkrete Lösungsvorschläge, die Betroffene und marginalisierte Gruppen aktiv beteiligen und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen. Es braucht vor allem strukturelle Veränderungen, um Gesundheit als Menschenrecht zu verwirklichen. Die Förderung resilienter, vorbeugender, nachhaltig und gerecht finanzierter Gesundheitssysteme sollten alle Treffen fokussieren. Sie sind sowohl Dreh- und Angelpunkt für Universal Health Coverage als auch der Schlüssel für die Erreichung anderer gesundheitsrelevanter Nachhaltigkeitsziele und der Verhinderung von Infektionskrankheiten und Pandemien. Um Tuberkulose einzudämmen, braucht es einen niederschwelligen und gendergerechten Zugang zu Prävention, Diagnostik und Therapie.
Damit Zusagen nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben, sollten finanzielle Zusagen sowie konkrete Aktionspläne, Indikatoren und ein jährliches Monitoring vereinbart werden. Die Finanzministerien der Länder müssen mit an den Verhandlungstisch und die ökonomischen Wachstumschancen durch Gesundheit verdeutlicht werden. Von der deutschen Position wird erwartet, nicht allein nationale Interessen zu bedenken, sondern Vorreiter bei einer konstruktiven Zusammenarbeit der Staaten zu sein. Dabei gilt es zugleich, Fortschritte in den politischen Zusagen der Staatengemeinschaft auch bei kontroversen Themen zu erreichen und die Mitbestimmung und Eigenverantwortung der Staaten, insbesondere des globalen Südens, weiter zu fördern. Das Streben nach globaler Gerechtigkeit, nach einem Barriere- sowie diskriminierungsfreien Zugang zu einer allgemeinen Gesundheitsversorgung für alle Menschen, sollte mit globaler Solidarität aller Staaten untermauert werden. Auch sollte sich Deutschland für eine effizientere globale Gesundheitsarchitektur einsetzen. Eine starke, steuernde öffentliche Hand wird bei der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft erwartet, um die Bedarfe vor Ort weltweit decken zu können. Die Zusammenhänge von Klimawandel und Gesundheit sollten eingebracht und eine Kohärenz mit anderen hochrangigen Prozessen, wie der Klimakonferenz der Vereinten Nationen, erreicht werden. In Beschlüssen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen sollte die Menschrechtsdimension der Nutzung von Gesundheitsdaten berücksichtigt werden. Grundsätzlich sollte die Zivilgesellschaft bei gesundheitspolitischen Entscheidungen auf den verschiedenen Ebenen stärker mitsprechen können. Auch könnte die Bunderegierung nichtstaatliche Akteure in die deutsche Delegation zu den Gesundheits-UNHMLs aufnehmen. Aufgrund des koordinierten, geschlossenen Auftretens der EU-Staaten auf den hochrangingen Treffen der Vereinten Nationen zu Gesundheit ist ein Austausch mit dem nichtstaatlichen Raum auch auf dieser Ebene wichtig.
Reaktion der Ministerien und Vorstellung der Pläne der Bundesregierung
Die Vertreterinnen und Vertreter des Auswärtigen Amts, des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen in New York begrüßten den Austausch mit dem nichtstaatlichen Raum in Vorbereitung der UNHLMs zu „Universal Health Coverage“, Tuberkulose und Pandemieprävention, -vorsorge und -bewältigung. Die von den nichtstaatlichen Akteuren eingebrachten Prioritäten und Querschnittsthemen fanden breite Zustimmung und Bekräftigung vonseiten der Ministerien. Die Ministerien erachten zudem eine größtmögliche Kohärenz und Komplementarität der hochrangingen Gesundheitstreffen und der Prozesse in anderen Foren (G7, G20) als wichtige Ziele. Im Idealfall dienen die UNHLMs als wichtige Zwischenschritte für eine weniger fragmentierte globale Gesundheitspolitik, eine globale Gesundheitspolitik aus einem Guss. Zusätzlich werden sich die zuständigen Ressorts für die Priorisierung und Finanzierung von UHC durch die Staats- und Regierungschefs weltweit, für Strukturen und Finanzierung der Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion (u.a. Nachfolgestruktur für ACT-A/COVAX, die „Global Medical Countermeasures Coordination Platform“, die Stärkung der WHO, die weitere Befüllung des Pandemiefonds, das Internationale Pandemieabkommen), die TB-Impfstoffentwicklung und die Eindämmung von Antibiotikaresistenzen einsetzen sowie eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik einbringen.
Vorbereitungs- und Verhandlungsprozess im Rahmen der UN High-Level Meetings
Die Ministerien gewährten zudem spannende Einblicke in den laufenden Vorbereitungs- und Verhandlungsprozess. Alle Ministerien engagieren sich für eine kohärente globale Gesundheitspolitik und wollen Synergiepotentiale sowohl bei den drei Themenbereichen UHC, TB und PPR als auch mit globalen Prozessen im Rahmen anderer Foren bestmöglich nutzen. Sie informierten, dass im Unterschied zur Weltgesundheitsversammlung in Genf, wo verbindliche detaillierte Vereinbarungen getroffen werden können, der Schwerpunkt in New York darauf liegt politische Aufmerksamkeit und Dynamik für globale Gesundheit auf höchster politischer Ebene zu erreichen. Die hier getroffenen Sprachregelungen haben Ausstrahlkraft auf Verhandlungen in anderen Kontexten. Auf sie kann in Folgeprozessen, beispielsweise im Rahmen der Weltgesundheitsversammlung, aufgebaut werden. Die Ministerien erhoffen sich politische Impulse, die eine sektorübergreifende Zusammenarbeit für globale Gesundheit befördern, parallelen Prozessen eine kohärente Richtung geben und wichtige Themen befördern. Beispielsweise gestalte sich der Prozess zu einem Internationalen Pandemieabkommen nicht so zügig wie erhofft. Rückenwind sei dringend erforderlich.
Wie geht es weiter?
Die Ministerien nehmen den Impuls aus dem nichtstaatlichen Raum mit in die weiteren nationalen Koordinierungsgespräche. Die Anregungen zur Einbindung nichtstaatlicher Akteure in die deutsche Delegation und zu einem Austausch auf EU-Ebene werden im Rahmen des Ressortkreises bzw. der EU-Koordinierungstreffen weiterverfolgt. Das Bundesgesundheitsministerium lud dazu ein, auch im Nachgang innovative Ideen einzubringen, wie eine größere Verbindlichkeit bei der Umsetzung von Beschlüssen durch die einzelnen Regierungen erreicht werden kann.
Als Teil des Vorbereitungsprozesses der Vereinten Nationen für die gesundheitsbezogenen UNHLMs im September 2023 veranstaltet der Präsident der UN-Generalversammlung im Mai „Multi-Stakeholder-Hearings“. Die Anhörungen sollen allen Akteursgruppen die Möglichkeit geben, ihrer Perspektive zu dringenden, die Gesundheitsthemen befördernden, Maßnahmen einzubringen. Ein zusammenfassender Bericht der Anhörungen wird in die politische Erklärung von 2023 einfließen. Der Global Health Hub Germany wird hierzu weiter berichten.