Erfahrungsbericht des deutschen Jugenddelegierten zur 78. Welt-gesundheitsversammlung

27. August 2025 I  News ,  Youth Delegates  I by : Ahmet Bekisoglu
Ahmet Bekisoglu vor dem Palais des Nations © Ahmet Bekisoglu

Im Folgenden teilt Ahmet Bekisoglu, Jugenddelegierter zur 78. Weltgesundheits-versammlung, seine Erfahrungen als Jugenddelegierter:

Motivation oder: wieso habe ich mich für dieses Programm beworben? 

Schon zu Beginn meines Medizinstudiums war mir klar, dass ich nicht ausschließlich Medizin machen möchte. Mich haben seit jeher die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Gesundheit und Krankheit interessiert – und ich wollte dieser Leidenschaft auch neben dem Studium Raum geben. Das war im klassischen Curriculum allerdings kaum möglich. Deshalb habe ich mich früh ehrenamtlich engagiert, u.a. in der Außen- und Friedenspolitik, im Bereich psychische Gesundheit und im Minderheitenschutz. In all diesen Feldern wurde mir immer wieder bewusst, wie sehr Gesundheit von politischen Entscheidungen abhängt – und gleichzeitig, wie oft die Medizin selbst noch rein naturwissenschaftlich und technokratisch gedacht wird. Für diese Lücke wollte ich ein stärkeres Bewusstsein schaffen. Im Herbst 2024 habe ich gleichzeitig noch einen Master in Global Health Policy angefangen, der genau diese Inhalte (soziale Determinanten, WHO, Klima etc.) thematisierte und mein Interesse hierzu entfachte. 

Wie ich konkret auf das Programm aufmerksam wurde, kann ich rückblickend gar nicht mehr genau sagen. Ich wusste allerdings, dass es verschiedene Jugenddelegiertenprogramme gibt – etwa bei der UN oder im Rahmen von Y7 (G7). In diesem Umfeld habe ich mich weiter umgesehen und bin schließlich auf das Programm gestoßen, das mir die ideale Möglichkeit bot, meine Interessen an der Schnittstelle von Politik, Global Health und gesellschaftlicher Verantwortung gezielt einzubringen. 

Das Jugenddelegiertenprogramm, Bewerbung und Einstieg 

Das Jugenddelegiertenprogramm gab es vor mir schon ganze vier Durchgänge lang, so dass ich dann den fünften Jahrgang bildete. Das Programm entstand im Zuge der Umsetzung der globalen Gesundheitsstrategie der Bundesregierung und wurde 2021 als Pilotprojekt gestartet. Es richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene und bietet ihnen die Möglichkeit, internationale Organisationen und Prozesse kennenzulernen. Gleichzeitig soll es das Interesse an einer späteren Tätigkeit im Bereich der globalen Gesundheit und auf internationaler Ebene wecken sowie den Austausch und die Vernetzung mit internationalen Akteuren fördern. 

Das Programm bietet eine Plattform, auf der – von Public Health bis Medizin –Perspektiven eingebracht und sich mit politischen Entscheidungsträger:innen auf Augenhöhe ausgetauscht werden kann. Hierbei wurde ich fachlich begleitet, inhaltlich vorbereitet und in internationale Prozesse wie die WHA eingebunden. Ziel ist es, nicht nur symbolisch die Jugend zu repräsentieren, sondern konkrete Impulse für eine zukunftsgerichtete, inklusive Gesundheitspolitik zu setzen – und langfristig Strukturen zu schaffen, in denen junge Stimmen selbstverständlich mitdiskutieren und mitentscheiden. Wesentlich hierfür waren auch meine Gespräche mit Vereinen, Verbänden und ehrenamtlich tätigen, jungen Menschen. 

Die Bewerbungsunterlagen umfassen einen Lebenslauf, ein Motivationsschreiben und einen einseitigen englischen Essay zu einer Fragestellung, die sich jedes Jahr ändert.  

Nach Einsendung meiner Bewerbung wurde ich zum Auswahlgespräch eingeladen, wo mir dann Fragen zu meiner Motivation, zu meinen Erwartungen zum Programm und zu meinen Ideen gestellt worden sind. Gleichzeitig gab es auch einen Teil auf Englisch und eine technische Frage zur WHO/WHA – dieser Teil hat mich etwas überrascht, aber war dennoch gut machbar. Ich würde jedem, der mit dem Gedanken spielt, sich zu bewerben, dies auch anraten und sich nicht mit “was, wenn ich nicht genug bin” zu beschäftigen – Zweifel und Nervosität hatten wir alle. Auch würde ich empfehlen, dass man sich einige kurze Gedanken macht, was man im Programm erreichen will und auch wie man dies angehen möchte. 

Knapp zwei Wochen später erhielt ich dann die Zusage, dass ich im Gespräch überzeugt hätte und der neue Jugenddelegierte sein dürfe. Dies war gleichzeitig auch der Start (Dezember 2024) des intensiven Austausches mit den Beteiligten der GIZ und dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Mir wurden eine Handreichung und weitere Dokumente zu bereits bestehenden Inhalten, zur Cloud und zum Instagram-Account gesandt, sodass ich mich bereits etwas einarbeiten konnte. Kontakt mit den vorherigen Jugenddelegierten ist auch ratsam. 

Gespräche, Seminare und Kongresse  

Eine mir häufig gestellte Frage: Was genau war jetzt deine Aufgabe bzw. was hast du genau gemacht? Für mich waren zwei Dinge wichtig: Einerseits die vielfältigen Perspektiven der Jugend und Akteure kennenlernen und vernetzen, sowie mit meinen eigenen Kenntnissen über Globale Gesundheit und relevante Themen aufklären. Für ersteres habe ich über achtzehn Konsultationen, also Gespräche mit Arbeitsgruppen, Vereinen und Initiativen geführt und so deren Anliegen in Bezug auf Gesundheit näher kennengelernt. Zudem war ich auf einigen Kongressen – vor Ort oder per Videostream. In Berlin beispielsweise fand der Kongress zu Armut & Gesundheit statt, wo ich ein Herzensthema von mir näher kennenlernen durfte, oder in Hannover der International Urban Health Summit, wo ich einige Ergebnisse meiner Arbeit als Jugenddelegierte als Poster aufzeigen konnte (auch wenn ich leider krank war). Auch war ich bei den WHO EPW2 Hearings beigeschaltet und konnte noch beim 4. Diversity in Health Kongress per Livestream teilnehmen. 

Für mich waren Kongressbesuche immer mit Anstrengung verbunden: Häufig fanden diese nicht in Köln statt, wo ich wohne, und auch häufig genug kannte man kaum jemanden vor Ort, so dass das Netzwerken und gegenseitige Kennenlernen immer etwas Mut erforderten. Auch wurde für mich retrospektiv klar, dass nicht die Anzahl, sondern die Qualität der Jugendkonsultationen wichtig ist – und die Klarstellung, dass das Programm zwar vom BMG initiiert ist, man selber aber keine politische Rolle im Ministerium innehat. Diese Erwartungshaltung vorab zu nennen, ist wichtig, da sonst viele Anliegen an einen getragen werden, die man nicht erfüllen kann. Als Jugenddelegierter hat man (leider) keinen direkten Draht zu einem Minister oder einer Ministerin. 

Im April veranstalte ich per Zoom einen Vortrag zum Thema “Rassismus, Armut, Ungleichheit – wie unser Hintergrund unsere Gesundheit beeinflusst”. Zuvor hielt ich einen ähnlichen Vortrag bei den Stipendiat:innen der Hanns-Seidel Stiftung (meinem Stipendium), welcher zur selben Zeit auch der Auftakt einer von Stipendiat:innen und mir organisierten Reihe zu “Dimensionen Globaler Gesundheit” war. Hierzu gab es Vorträge zu rechtswissenschaftlichen, zahnärztlichen & geopolitischen Aspekten von Globaler Gesundheit.  

Mir persönlich halfen vorher existierende Netzwerke, um Anschluss zu finden. Beim BDAS, wo ich sehr lange aktiv war und zum Teil noch bin, konnte ich in Berlin eine Einführung in politische Ehrenämter und Stipendien geben (z.B. auch zu diesem Programm) und habe dann noch über psychische / transgenerationelle Traumata bei Migrant:innen referiert. Kontakte in Vereinen helfen hierbei sehr, da man auf diese aufbauen kann und direkt Zuhörer:innen hat. 

Lauterbach, Tedros und die Hospitation im Ministerium 

Ein wesentlicher Bestandteil des Jugenddelegiertenprogramms ist auch eine Hospitation im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sowie auf Wunsch in der GIZ. Meine Hospitation im April umfasste insgesamt vier Tage: drei davon verbrachte ich im BMG, ein weiterer Tag war bei der GIZ eingeplant. Dabei erhielt ich einen ersten Einblick in die Arbeitsabläufe und den Alltag beider Institutionen und führte zahlreiche Gespräche mit den jeweiligen Referent:innen und Projektmitarbeiter:innen. Besonders positiv empfand ich die unmittelbare Wertschätzung, die einem dort entgegengebracht wurde: alle wussten, weshalb man vor Ort ist, und selbst vermeintlich naive oder kritische Fragen wurden offen und geduldig beantwortet.  

Am Mittwoch fand im WHO-Hub in Berlin eine Veranstaltung mit dem Generaldirektor der WHO, Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, und dem damaligen Bundesminister für Gesundheit, Prof. Dr. Karl Lauterbach, statt. Freundlicherweise wurde für mich ein Handshake mit beiden sowie ein gemeinsames Foto organisiert – keine Selbstverständlichkeit. Neben dem Bekenntnis Deutschlands zur WHO und drei Statements von Akteur:innen im Bereich der globalen Gesundheit fand ich insbesondere die Vorbereitung und Protokollarbeit im Vorfeld spannend: Alles wurde bis ins kleinste Detail geplant – von der Frage, wer von wo den Raum betritt, über die Positionierung der Flaggen bis hin zur Anordnung der Stühle auf der Bühne, ob zentral oder seitlich platziert. Im Anschluss war ein Netzwerken möglich, u.a. im Gespräch mit Abgeordneten des Bundestages. Zugegeben war hier hilfreich, dass Mitarbeiter:innen vom Ministerium einen vorgestellt haben, damit der erste Kontakt nicht so “random” erscheint.  

Apropos Bundestag: Donnerstags und freitags fand jeweils ein Gespräch mit MdBs statt. Eine Bitte, die ich im Vorfeld stellte und der auch hier netterweise nachgekommen wurde – vielen Dank! Durch die räumliche Nähe zwischen Ministerium und Bundestag stellte dies kein Problem dar. 

Im Ministerium selbst wurde auch an meinem Statement für die Weltgesundheitsversammlung (WHA) noch rumgefeilt: Wörter wurden ausgetauscht, Feedback eingeholt und ein letzter Schliff fand auch noch statt. Hier profitierte ich von der Erfahrung derjenigen, die tagtäglich Reden schreiben und insbesondere ein diplomatisches Auge haben. 

Zu der Hospitation habe ich auch noch zwei Reels auf Instagram hochgeladen, wo ich in jeweils einer Minute durch den Tag führe. 

Das Highlight: Die Weltgesundheitsversammlung (WHA) 

Die diesjährige WHA fand Ende Mai statt – mitten in meinem Prüfungszeitraum zum dritten Staatsexamen in Medizin. Zeitlich heikel – sollte ich doch in Genf noch die Rede im Plenum halten. Glücklicherweise war meine Rede dann mittwochs geplant, einen Tag nach meiner Prüfung. Diese abgelegt, ging es dann direkt von Köln über München in die Schweiz, wo ich in der Nacht ankam.  

Mein Hotel befand sich in der Nähe des UN-Campus, etwa 20 Gehminuten entfernt, weshalb ich während der drei Tage vor Ort meist zu Fuß unterwegs war. Am Mittwochmorgen um 8:00 Uhr erhielt ich mein Badge und konnte als Teil der deutschen Delegation an sämtlichen Sitzungen teilnehmen, die mich interessierten. Dabei ging es keineswegs nur um gesundheitspolitische Themen – auch außenpolitische Fragen wie der Krieg in der Ukraine oder die Krise im Nahen Osten spielten eine wichtige Rolle. 

Meine Zeit konnte ich relativ frei gestalten, sodass ich mich auch intensiv mit den anderen Jugenddelegierten der Partnernationen austauschte. 

Meine Rede, für die ich ja ursprünglich angereist war, sollte am Mittwoch stattfinden. Da jedoch einige Programmpunkte gekürzt oder verschoben wurden, musste ich meine dreiminütige Rede zunächst kürzen, inhaltlich leicht anpassen und sie schließlich unter einem anderen Programmpunkt im Themenblock „Mental Health“ halten. Dank der Unterstützung durch das Ministerium war das jedoch kein Problem – die Rede war rasch angepasst und stilistisch entsprechend formuliert. Am Freitag war es dann so weit, und ich konnte am Nachmittag die dann noch einminütige Rede halten. 

Einen ausführlicheren Einblick in die WHA gebe ich in meinem bereits publizierten Erfahrungsbericht.  

Und danach? 

Die letzten zwei Monate des Programmes liefen vergleichsweise ruhiger ab. In dieser Zeit habe ich vor allem an Erfahrungsberichten über die WHA, über das Programm an sich sowie an Reels (Instagram) gearbeitet. Gleichzeitig fand auch das Q&A über die Ausschreibung für das kommende Amt statt, und ich konnte dem Deutschen Ärzteblatt von meinen Erfahrungen bei der WHA berichten. Auch habe ich noch mit einigen Interessierten, die bspw. andere Programme oder Stipendien kennenlernen wollten, telefoniert und mit ihnen ausgetauscht. 

Wie es beruflich nun genau weitergeht, ist mir noch nicht ganz klar. Was aber feststeht: Politik wird weiterhin ein Bestandteil bleiben – und hoffentlich in naher Zukunft noch stärker. Denn: Health in All Policies darf nicht nur ein schicker Spruch bleiben, sondern eine Wirklichkeit werden. 

Verbesserungsvorschläge: Das Programm – ein zahnloser Tiger?  

Grundsätzlich muss ich sagen, dass mir kaum Verbesserungspotential am Ablauf und der Organisation des Programms einfällt. Angefangen von Buchungen bis hin zu Mails und Ablaufsplanung lief alles tatsächlich wie am Schnürchen und es wurde einem viel Organisationsprocedere abgenommen. Insbesondere, dass ich in der Zeit noch mein Staatsexamen ablegen durfte und erst danach zur WHA musste, war sehr zuvorkommend. Mir ist lediglich aufgefallen, dass das Amt natürlich ein ehrenamtliches mit wenig politischem Gewicht ist. Zwar ist es schön, dass es einen Jugenddelegierten gibt, doch welchen Impact hat er? Welche Änderungen kann er bewirken? Was sind seine grundlegenden Funktionen außer Gespräche führen und auf die Ideen der Jugend aufmerksam machen? Oft hatte ich das Gefühl, dass man dieses Amt noch nicht allzu gut kennt und die Sichtbarkeit noch nicht sehr ausgeprägt ist. Im Laufe der Jahre hat sich da sicherlich etwas getan, allein durch Social Media (insb. LinkedIn) und die Kontinuität des Programmes. Auf die neue bzw. auf den neuen Delegierten kommt da jedoch noch Arbeit zu. 

Danksagung 

Es war für mich persönlich eine sehr intensive und bereichernde Zeit, in die auch die Phase des Jugenddelegiertenprogramms fiel. An dieser Stelle möchte ich insbesondere dem Referat Z23 im Bundesministerium für Gesundheit, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sowie dem Global Health Hub Germany meinen herzlichen Dank aussprechen. Ein solches Programm zusätzlich zum eigentlichen Arbeitsalltag zu planen, zu managen und dabei kurzfristig auf sich ständig ändernde Rahmenbedingungen zu reagieren, erfordert großes Engagement und Flexibilität – beides war jederzeit spürbar. 

Mein besonderer Dank gilt darüber hinaus der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie der Uniklinik Köln, in deren Zeitrahmen einige Monate meines Jugenddelegiertenamtes fielen. Dort war es mir trotz des Praktischen Jahres möglich, die Hospitation wahrzunehmen und wertvolle Gespräche mit dem ein oder anderen Verein zu führen. 

Abschließend möchte ich die zahlreichen Jugendorganisationen und die vielen ehrenamtlich tätigen, hochmotivierten Mitglieder und Gesprächspartner:innen nicht unerwähnt lassen. Ihr Engagement macht Jugendthemen in der Politik sichtbar und greifbar. Ihr Einsatz ist wegweisend und wird die politischen Richtlinien der Zukunft entscheidend mitgestalten.

Erfahrungen früherer Jugenddelegierter

Erfahrungsbericht von Ahmet Bekisoglu (PDF Version)

Erfahrungsbericht von Eva-Lotte Seibold aus dem Jahr 2024

Erfahrungsbericht von Miriam El-Mahdi aus dem Jahr 2023

Erfahrungsbericht von Anile Tmava aus dem Jahr 2022

Erfahrungsbericht von Theresa Krüger aus dem Jahr 2021

 

Wir haben Ahmet Bekisoglu (Deutscher Jugenddelegierter zur 78. Weltgesundheitsversammlung) eingeladen, seine persönlichen Reflektionen zu seinem Mandat als Jugenddelegierter mit uns zu teilen. Die geäußerten Ansichten sind seine eigenen und spiegeln nicht notwendigerweise die Position des Global Health Hub Germany wider.

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