„Mitglieder stellen sich vor“ - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI)

31. May 2021 I  Neues aus dem Hub  I by : Judith Miller

Der Fachverband Elektromedizinische Technik des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI) vertritt die Interessen deutscher Hersteller von Medizintechnik im In- und Ausland. Wir sprechen heute mit Pia Graß, Managerin Public Affairs Medizintechnik des ZVEI, über Innovationen in der Telemedizin, das reziproke Verhältnis zwischen Deutschland und seinen internationalen Partnern in der globalen Gesundheit und die Bedeutung von Datenstandards für eine globale medizinische Forschung. Pia Graß ist Vertreterin für die Akteursgruppe Wirtschaft im Lenkungskreis des Global Health Hub Germany.

Frau Graß, könnten Sie zum Einstieg sich und den Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie kurz vorstellen?

 

Ich arbeite im Fachverband Elektromedizinische Technik und im Leitmarkt Gesundheit für den ZVEI. Der ZVEI hat verschiedene Leitmärkte, von denen die Gesundheit einer ist. Ich selbst habe Global Health studiert. Unsere Mitglieder sind Hersteller elektromedizinischer Technik. Das bedeutet die meisten medizinischen Geräte, die in Krankenhäusern oder Arztpraxen zu finden sind, z. B. im Bereich Diagnostik, Bildgebung oder auch Beatmungsgeräte. Viele unserer Mitglieder haben ihren Sitz in Deutschland, sind aber global tätig und somit Partner bei der globalen Gesundheit. Das ist auch einer der Gründe, warum wir in den Global Health Hub eingetreten sind.

 

Welche Herausforderungen aber auch Chancen sehen Sie für die Deutsche Elektrotechnik- und Elektronikindustrie im Kontext der globalen Gesundheit?

 

Besonders in meinem medizintechnischen Bereich gibt es große Chancen. Die neuen Technologien im Gesundheitsbereich sind global verfügbar, aber das Know-How um diese anzuwenden ist oft noch nicht überall vorhanden. Ich glaube, dass es eine sehr große Chance ist, dass wir das, was wir in Deutschland schon benutzen, auch in den verschiedenen Zielländern anwenden können. Natürlich angepasst an den jeweiligen Bedarf vor Ort und – das ist ganz wichtig – gemeinsam mit den Menschen im jeweiligen Land. Nur, wenn am Ende Menschen vor Ort wissen, wie bestimmte medizinische Geräte funktionieren, gewartet werden und dieses Wissen weitergeben, entstehen nachhaltige Lösungen. Es ist nicht mehr wie früher, dass wir aus Deutschland einfach in ein anderes Land reisen und dort dann irgendwie ein Krankenhaus bauen und übergeben.

Es geht jetzt vielmehr auch darum, vor Ort zu schauen, was braucht man dort wirklich: Es muss nicht überall große „Super-Krankenhäuser“ geben, die alles können. Sondern es geht darum, im gesamten Gesundheitswesen digitale Möglichkeiten anzubieten und zu schauen, was gebraucht wird. Es gibt zum Beispiel im telemedizinischen Bereich viele Lösungen, etwa um beispielweise Ultraschallbilder mit Experten zu teilen, die an anderen Kliniken tätig sind oder um Ärzte direkt zur Unterstützung zuzuschalten, sogenannte Telekonsile.

Das alles geht über das klassische Bild hinaus, in dem die Industrie nur Hersteller oder Zulieferer ist. Sie ist vielmehr Teil von politischen Prozessen in der globalen Gesundheit und ein Partner, wenn es um Global Health Governance geht. Wir sehen außerdem im Zuge der Globalisierung vor allem in der Forschung große Chancen für eine stärkere Zusammenarbeit und Partnerschaften. In der Corona-Pandemie sehen wir im Moment sehr gut, wie internationale Teams zusammenarbeiten können, ohne dass sie sich im selben Raum befinden. Und, dass wir auch so voneinander lernen können.

Was ich noch erwähnen möchte, ist, dass die Politikfelder Energie und Gesundheit immer mehr zusammenwachsen. Im ersten Moment denkt man bei Elektrotechnik erstmal viel an das Thema erneuerbare Energien und Klimaschutz. Im weitesten Sinne ist die Klimakrise auch eine Gesundheitskrise und somit ein Global Health Thema. Ein Ansatz der WHO nennt sich „Health in all Policies“. Wenn ich mir die Arbeit ansehe, die meine Kolleginnen und Kollegen im ZVEI oder auch die anderer Unternehmen der deutschen Elektrotechnik und Elektronikindustrie machen: Am Ende haben alle mit globaler Gesundheit zu tun.

 

Da spielt ja auch der Begriff der „One Health“ mit rein, wo es darum geht, dass Menschen, Tiere und die ganze Umwelt eine untrennbare Einheit bilden.

 

Genau. Viele sehen sich vielleicht nicht als Teil von globaler Gesundheit, aber am Ende betrifft es uns alle, auch wenn es zunächst um Transport, Produktionsbedingungen, Lieferketten geht. Und durch neue Technologien in allen Bereichen können wir Gesundheit schützen.

 

Bei Telemedizin und digitalen Technologien denke ich an die große Verbreitung von Smartphones zum Beispiel in Regionen wie Subsahara-Afrika: Werden dort auch Konzepte erprobt, die dann wiederum - Stichwort keine Einbahnstraße – hier bei uns in Europa weiter Verbreitung finden könnten? Oder läuft das eher parallel ab?

 

Es muss parallel laufen. Denn während es vielleicht mancherorts die Technik schon gibt, fehlt dort die Infrastruktur – oder umgekehrt. Zum Beispiel läuft der Einsatz von Smartphones in der Gesundheitsversorgung in anderen Ländern schon besser und pragmatischer.

Besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern helfen digitalen Technologien bei der Stärkung und dem Ausbau der Gesundheitsversorgung, z. B. durch die erwähnten Telekonsile. Diese Länder können durch den Einsatz digitaler Lösungen auch direkt andere Modelle der Gesundheitsversorgung umsetzen, die besser zu den lokalen Anforderungen passen.

 

Gibt es in dieser Richtung noch andere Projekte oder Initiativen, die Sie gerne vorstellen würden?

 

Im ZVEI haben wir vor einiger Zeit 20 Vorschläge für eine erfolgreiche digitale Transformation der Gesundheitswirtschaft” veröffentlicht und wir haben auch eine Checkliste dazu. Das mag sehr auf Deutschland bezogen sein. Aber am Ende des Tages denke ich, dass wir hier weltweit auf ähnliche Herausforderungen stoßen und ähnliche Debatten führen müssen, wie z. B. den Umgang mit personenbezogenen Daten.

 

Sie setzen sich zum Beispiel im Rahmen der eHealth-Allianz gemeinsam mit anderen Interessenvertreter:innen für eine Stärkung der Forschung in Deutschland ein. Ist Deutschland im Moment gut aufgestellt, um auch global einen Beitrag zu leisten oder wo würden Sie noch Handlungsbedarf sehen? Sie haben ja schon angesprochen, dass internationale Kooperation eine große Rolle spielt.

 

Die eHealth-Allianz gibt es seit 2018, zusammengesetzt aus verschiedenen Verbänden der industriellen Gesundheitswirtschaft in Deutschland. Damals war der Gedanke, da das mit der Digitalisierung hier in Deutschland noch nicht so gut läuft, dass wir zusammenarbeiten und mit gemeinsamer Stimme für ein eHealth-Zielbild eintreten sollten. Denn am Ende ist das große Ziel – hier wie auch weltweit – eine vernetzte Gesundheitsinfrastruktur, um bestmöglich forschen und versorgen zu können.

Ein gutes Beispiel ist das Thema Daten-Infrastruktur: Es hilft nicht, wenn es irgendwo eine Software gibt, die aber mit den Geräten vor Ort nicht kompatibel ist. Dort sind Standards und Interoperabilität entscheidend. Auch bei den Themen Datennutzung und -zugang für die Forschung in Balance mit Datenschutz müssen wir gemeinsam Lösungen finden, um dieses Potenzial nicht ungenutzt zu lassen.

Gleichzeitig müssen wir im Blick behalten, wie wir Vertrauen schaffen und den Datenschutz gewährleisten. In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus 2018 lag Deutschland auf Rang 16 von 17 untersuchten Ländern im internationalen Vergleich in Bezug auf die Digitalisierung seines Gesundheitssystems. Ich denke, das zeigt die Demut, die wir auch mal haben können und sollten. Mittlerweile sind wir da schon ein Stück weiter. Trotzdem zeigt es, dass wir in einer globalen Gesundheit nicht nur diejenigen sind, die zeigen, wie es geht, sondern dass wir auch noch von anderen lernen können. Wir können uns als kleines Puzzlestück im großen weltweiten digitalen Bild sehen – ein weiterer Grund, warum wir im Hub sind.

 

Sie haben bereits die internationale Kooperation angesprochen und eines der wichtigsten Ziele des Global Health Hubs ist ja die Stärkung des Dialogs auch im intersektoralen Bereich. Wie wichtig ist denn für die Arbeit des ZVEI die sektor- und akteursübergreifende Zusammenarbeit?

 

Sehr, sehr wichtig. Noch ein Grund, warum wir dem Hub beigetreten sind. Ich selbst bin für die Akteursgruppe Wirtschaft Vertreterin im Lenkungskreis des Global Health Hub. Da geht es eben genau um diesen Austausch. Gerade bei Global Health ist es so wichtig, dass nicht jeder sein Ding macht, sondern dass wir alle am gleichen Strang ziehen. Wir haben alle dasselbe Ziel: Gesundheit schützen und bei Gesundheitskrisen reagieren. Ich glaube, wenn dieses Element des Austausches und Zusammenarbeit noch stärker präsent gewesen wäre, dann hätten wir bei der Corona-Pandemie vielleicht auch schon viel früher anders, vielleicht sogar besser, reagieren können.

Generell möchten wir als Verband das Know-How, das wir zu technischen Lösungen haben, auch gerne weitergeben. Dafür müssen wir mit den Ländern vor Ort zusammenarbeiten, mit den Botschaften, mit NGOs, und mit medizinischen Teams. Am Ende stehen überall auf der Welt bei der Gesundheitsversorgung die Patient:innen und Anwender:innen im Mittelpunkt. Da kommt es auf Zusammenarbeit an. Für mich ganz persönlich ist das auch ein großes Anliegen.

 

Näheres zum Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. finden Sie unter https://www.zvei.org/

Hier gibt es außerdem die 20 Vorschläge für eine erfolgreiche digitale Transformation der Gesundheitsversorgung und die Checkliste zum Thema „Die digitale Transformation im Gesundheitswesen” zum Download.

 

 

Foto: ZVEI

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